„Alternative für Deutschland“, Alternativen für Europa?

  • Plehwe D
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Der Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD) war ursprünglich zentral mit Europa, genauer der Finanz-und Wirtschaftskrise der EU verbunden. Die Kritik an der Eurorettungspolitik als Klammer einer in der Bundesrepublik Deutschland neuen rechten Opposition, einer bis dahin als undenkbar geltenden bürgerlichen Partei rechts von CDU/CSU und FDP, trat aber schon bald in den Hintergrund. In den Vordergrund rückten seither ein Spektrum konservativer bis reaktionärer Kritik an der Gleichstellungs-und Migrationspolitik sowie widersprüchliche Ein-lassungen zu verschiedenen Fragen der Sozial-, Umwelt-und Wirtschaftspolitik. Merkwürdige Mischungen gab es etwa im Bereich der Handelspolitik mit Vorbe-halten gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP bei gleichzeitiger Unterstützung wirtschaftlicher Globalisierung, im Bereich der Umweltpolitik mit Klimawandelskepsis bei gleichzeitigem Bekenntnis zum Umweltschutz oder im Bereich der Sozialpolitik mit der Ablehnung des Mindestlohnes bei gleichzeitiger Verteidigung deutscher Sozialstandards (vgl. das minimalistische Programm der AfD zur Bundestagswahl 2013 mit dem differenzierten Programm zur Wahl des Europaparlaments 2014). Nachdem ein Team von Investigativjournalisten Anfang 2016 den Entwurf eines neuen Programms veröffentlicht hatte, strich die AfD besonders kontroverse Forderungen wie z. B. die Privatisierung der Arbeitslosen-versicherung oder die kontrollierte Abgabe von Drogen. Weiterhin finden sich im Entwurf Forderungen nach Sicherheitsverwahrung von alkohol-und drogenab-hängigen Tätern, die Strafmündigkeit von Kindern ab zwölf Jahren und das Ende der Klimaschutzpolitik (Bensmann 2016). Insbesondere die nationalistische, häufig offen anti-islamische Kritik an der Zulassung einer großen Zahl von Flüchtlingen im Jahr 2015 verschaffte der AfD erheblichen Auftrieb bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-berg und Sachsen-Anhalt im Frühjahr 2016. Die Spaltung der rechtsliberal-konser-vativen Partei und die Neugründung einer weiteren wirtschaftsliberal-konservativen Partei, der Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA), unter Leitung des vormali-gen AfD-Chefs Lucke scheinen dem Ansehen der Partei in der Wählerinnen-und Wählergunst nicht zu schaden. Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rhein-land-Pfalz und Baden-Württemberg am 13. März 2016 erzielte die AfD Spitzener-gebnisse, die mit 25,1 %, 12,6 % und 15,1 % noch deutlich über den Vorhersagen lagen. 1 Der Auszug des wirtschaftsliberalen Flügels und die Gründung von ALFA 2015 durch Bernd Lucke – nach dessen vergeblichem Versuch, seinen Führungsanspruch gegenüber der Konkurrenz aus den bei Wahlen erfolgreichen ostdeutschen Landes-verbänden mit Frauke Petry und Alexander Gauland abzusichern – sollte für Klar-heit in Bezug auf die verschiedenen Lager in den neuen Rechtsparteien sorgen, so zumindest suggeriert es die Kommentierung in den Medien. Die Neoliberalen ver-lassen das zunehmend rechtslastige Schiff AfD, während die national-konservati-ven und rechtspopulistischen Kreise das Ruder übernehmen. Ist das aber tatsächlich der Fall bzw. eine vollständige, wenigstens hinreichende Interpretation der ideologischen Flügel? Auch nach der Spaltung der AfD blieben die Europaab-geordneten der Parteien ALFA und AfD in der Fraktion der Europäischen Konser-vativen und Reformer, die sich 2009 als Abspaltung unter Führung der britischen Tories aus dem Lager der Mehrheitskonservativen gegründet hatten. 2 Nach Äuße-rungen von AfD-Mitgliedern des Europaparlaments zum Gebrauch von Schusswaf-fen an der Grenze zur Verhinderung illegaler Grenzübertritte wurden allerdings Forderungen nach Ausschluss der AfD aus der Fraktion laut (EU-Fraktion geht gegen AfD-Abgeordnete vor, 2016). Während auf den Ruck der AfD nach rechts verwiesen wird, weil sich der angeblich moderate Flügel um Lucke und Henkel vom radikalen Teil der Partei abgespalten hat, wird über das ideologische Spektrum der europäischen Fraktion bzw. der damit verbundenen europäischen politischen 1 Abstimmung in drei Ländern. Die Ergebnisse der Landtagswahl im Überblick; http:// www.spiegel.de/politik/deutschland/wahlen-2016-die-ergebnisse-der-landtagswahlen-im-ueberblick-a-1082093.html. 2 Vgl. zur Geschichte der neuen rechten europäischen Partei und Fraktion: Bale et al. 2009, S. 85 ff.; Plehwe 2014, S. 97 ff.

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Plehwe, D. (2017). „Alternative für Deutschland“, Alternativen für Europa? In Europäische Identität in der Krise? (pp. 249–269). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14951-2_11

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