Schönheit und andere Provokationen – Eine neue evolutionsbiologische Theorie der Kunst

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Die Evolution hat viele spektakuläre Phänomene hervorgebracht-von der Eleganz des Vogelflugs über die gigantischen Körper der Dinosaurier und die farbenpräch-tige Vielfalt der Korallenriffe bis hin zu ihrem jüngsten Geniestreich-der mensch-lichen Kunst. Die schönen Künste-Malerei, Bildhauerei und Architektur, Theater, Tanz, Oper und Filmkunst, Musik und Literatur-Produkte der Evolution? Diese Vorstellung mutet vielen Menschen fremd an, aber wie könnte es anders sein? Denn wenn Charles Darwin recht hat, dann sind nicht nur die körperlichen Merkmale der Menschen als Antworten auf die Erfordernisse des Lebens entstanden, sondern auch ihre geistigen Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Im Jahr 1859 hatte er auf den letzten Seiten seines berühmten Buches über die Entstehung der Arten eine kühne Prophezeiung gemacht: Durch die Evolutionstheorie werde es "zu einer bemerkens-werten Revolution in der Naturwissenschaft kommen […]. Die Psychologie wird auf die neue Grundlage gestellt, dass jede geistige Kraft und Fähigkeit notwendi-gerweise durch graduelle Übergänge erworben wird" (Darwin 1859, S. 484, 488; Junker 2008). Wenn Darwins Theorie wirklich "jede geistige Kraft und Fähigkeit" erklären kann, dann sollte dies nicht nur für Eigenschaften wie Intelligenz, Moral oder Spra-che, sondern auch für die Kunst gelten. Von biologischem Interesse sind dabei we-niger die nach Zeit und Ort unterschiedlichen Sprachen, Moralvorstellungen und Kunstformen, die von dem in einer Gemeinschaft systematisch weitergegebenen Wissen (ihrer "Kultur") bestimmt werden. Im Vordergrund steht vielmehr die all-gemein menschliche, kulturübergreifende Befähigung zur Kunst. Während die äs-thetischen Regeln und die symbolischen Bedeutungen der unterschiedlichen Kunst-stile und-werke überwiegend von der spezifischen Kultur einer sozialen Gruppe bestimmt werden, gilt dies nicht für die zugrundeliegende Fähigkeit, dieses Wissen aufzunehmen, kreativ umzugestalten und weiterzugeben. Dieses Vermögen kann nicht erlernt sein, da es die Voraussetzung für kulturelles Lernen und für das Inter-esse an ästhetisch bearbeiteten Gegenständen und Verhaltensweisen ist.

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Junker, T. (2011). Schönheit und andere Provokationen – Eine neue evolutionsbiologische Theorie der Kunst. In Der Mensch - Evolution, Natur und Kultur (pp. 91–107). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-10350-6_6

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