Freizeit, Bildung und Peers – informelle Bildungsprozesse im Kontext heterogener Freizeitwelten und Peer-Interaktionen Jugendlicher

  • Harring M
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Abstract

Bildungsprozesse finden keineswegs ausschliesslich in der Schule statt – Einsicht entwickelt sich erst allmählich (S. 21). Grossteil der Bildung findet in ausserschulischen Kontexten statt, Freizeit für den Erwerb von Wissen enorm wichtig. Schule bei der Kompetenzvermittlung in der Diskussion immer noch zentrale Stellung. Differenzierung: formale, non-formale und informelle Bildung (S. 22). Formelle Bildung, formales Lernen -> verweist auf Overwien, 2007: 46; Schule aufgrund ihres streng reglementierenden Organisationscharakters, ihrer Selektionsgewalt = hoher Grad an Formalisierung (S. 22). non-formale Bildungsorte demgegenüber andere Form von Lerngelegenheiten: klare institutionelle Strukturiertheit und Rechtslage aber aufgrund des offenen Angebots beruhen sie auf freiwilliger Nutzung und Inanspruchnahme. Nicht Erwerb von schulischen Qualifikationen zentral, sondern Vermittlung von sozialen und personalen Kompetenzen, Förderung von politischer und gesellschaftlicher Partizipation; Bsp. = Kinder- und Jugendhilfe, Institutionen der vorschulischen Bildung. Informelles Lernen gem. Dohmen (2001:18ff) alle bewussten und unbewussten Lernprozesse abseits von strukturierten und kontrollierten Lernarrangements und öffentlichen Bildungsinstitutionen -> situatives Lernen, indirekt, ungeplant, beiläufig. Harring bezeichnet Familie, Peers und Medien als klassische Beispiele (S. 23). Ziel des Beitrages – aufgrund eine quantitativ-empirischen Pilotstudie aufzeigen, wie heterogen die Freizeitwelten heutige Jugendlichen ausfallen und welchen Einfluss sie auf den Erwerb unterschiedlicher Kompetenzen haben. 2. Freizeit und Bildung – eine Auswahl empirischer Befunde (S. 23) Grunerts theoretische Annahmen bisher nicht empirisch belegt (Grunert 2007: 30) zumindest nicht vollumfänglich, den bisher fehlen valide Daten zu Vereinen, Jugendverbänden und anderen organisierten Freizeitformen. Beitrag möchte diese Forschungslücke schliessen. Erwähnt als einen ersten Ansatz Furtner-Kallmünzer et al. 2002, Hössl, 2006 (DJI) die mittels Triangulation von qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden für 8 bis 12 Jährige die Bedeutung der FZ für den Wissenserwerb aufzeigen konnten. (S. 24). Hössl 2006: 16ff/180: intrinsisch oder extrinsisch motivierte Interessen sind die Ausgangsbasis für Bildung und Lernen in der Freizeit. Interviews mit Eltern und Lehrpersonen ergaben, dass Erwachsene oft die Sinnhaftigkeit von Freizeitaktivitäten unterschätzen, da sie diese zu sehr an schulischen Normen messen. Hansen (2008): 36 quali Interviews – wie werden Kompetenzen im Verein erlernt und deren Transfer nach 'aussen'. Vereine sind spezielle Lernräume für Fachwissen, Organisationsfähigkeiten, Gesellschaftswissen, personenbezogene Eigenschaften und soziale Kompetenzen. Allerdings bestimmte die Strukturbesonderheit der Organisationsform des Vereins mögliche Lernprozesse, wirken fördernd oder auch hemmend. Düx et al. (2008) freiwilliges Engagement und Kompetenzerwerb; quali und quanti Datenbasis -> politisch interessierte, gesellschaftlich engagierter und höheren beruflichen Erfolg weisen Erwachsene auf, die als Jugendliche einem freiwilligen Engagement nachgingen. Harring (2010) eigenen Pilotstudie im Land Bremen (520 Schüler/innen zwischen 10 und 20 Jahre alt) zu informellen Bildungsprozessen in Freizeitaktivitäten. Theoretisch angelehnt bei Bourdieu (1983) -> Freizeit nicht ausschliesslich Teilbereich des Kulturkapitals, sondern (auf Mikroebene) bildet sie selbst drei Kapitalsorten ab; zentrale Fragestellung: Wie stellt sich das soziale, kulturelle und ökonomische Kapital im Kontext von Freizeitwelten Jugendlicher dar? Operationalisierung (Vorfeld) a) soziales Kapital: Interaktionen in Peer Group und Familie kulturelles Kapital: zeitliche Dispositionsmöglichkeiten und favorisierte Freizeitaktivitäten und -räume ökonomisches Kapital: die verfügbaren materiellen/finanziellen Ressourcen 3. Freizeitverhalten Jugendlicher (S. 27) Ausweitung und Differenzierung von Freizeit in den letzten 50 Jahren.Gem. Prahl (2002: 173) stehen heutigen Jugendlichen im Vergleich zu früheren Generationen und zu anderen Altersgruppen durchschnittlich die meiste Freizeit zur Verfügung; nur Menschen ab 60 geben an, über annähernd so viele freie Zeit zu verfügen. 3.1 Zeitliche Dispositionsmöglichkeiten -> sind ausschlaggebend dafür, ob und wie viel kulturelles Kapital im Kontext von Freizeit in der Lage sind zu Internalisieren „Der Faktor „Zeit“ ist ein erster Indikator, zugleich aber auch eine entscheidende Ressource und die Voraussetzung für den Gewinn von kulturellen Kapitalgütern und die Initiierung von Bildungsprozessen“(Harring, 2010: 28). Harring erfragte Zeitbudget; insgesamt verfügen männliche Jugendliche im Vergleich zu ihren weiblichen Altersgenossen noch immer über mehr freie Zeit. 3.2 Freizeitaktivitäten -> analog zu Shellstudie und ipos-Studie(2003) korrelieren bestimmte Freizeitaktivitäten hoch mit dem Geschlecht der Heranwachsenden. Männliche -> Computerspiele, Surfen im Internet, Video, DVD; weibliche -> mit Familie etwas unternehmen, Bücher lesen, Shopping. Ältere Jugendliche verbringen gegenüber jüngeren ihre FZ eher im informellen Rahmen und ausserhalb der Familie. Zunehmend relevant und bisher in Studien wenige beachtet – die nicht-deutsche ethnisch-kulturelle Herkunft. Migrantinnen in der organisierten FZ untervertreten, lediglich 31.3% weisen Mitgliedschaft in eine Jugendverein, einer Kinder-/Jugendgruppe auf. Mädchen ohne Migrationshintergrund weisen eine Quote von 53.8% auf. Ethnie entscheidende Auswirkung, Heranwachsende mit türkischem Migrationshintergrund und aus dem Mittleren und Nahen Osten sind signifikant seltener in Vereinen (S. 31). In den neuen Medien weisen Jugendliche einen enormen Wissensvorsprung gegenüber Erwachsenen auf; diesen erwerben sie sich jedoch nicht in formellen Lern- und Erfahrungsräumen sondern in informellen (vgl. Harring, 2010: 32). Die meiste FZ wird zusammen mit Peers und nicht alleine verbracht. Peers sind bezogen auf „(...) Lebensführung, Freizeitgestaltung und soziale Orientierung ein zentraler Bestandteil der Lebensphase Jugend und nehmen damit eine bedeutsame und bildungsrelevante Rolle ein“ (Harring, 2010: 32). 4. Typologie jugendlicher Freizeitwelten. Informelle Bildungsprozesse im Kontext von fünf Freizeittypen (S. 33) Typenbildung mittels Faktoren- und Clusteranalyse gebildet. 4.1 Die bildungselitären Freizeitgestalter (n=35, S. 33) Gymnasiast/innen – überdurchschnittliche Rezeption von Printmedien – Bücher und Zeitschriften lesen machen sie oft bis sehr oft, Computer v.a zum Arbeiten und selten zur Unterhaltung; Musik in aktiver und passiver Form, Treffen mit Freund/innen in informellen Arrangements, die frei zu verfügende Zeit ist relativ rar, da fast 2/3 dieser Jugendlichen arbeiten, um Geld zu verdienen. Jedoch geben 54.3% dieser Jugendlichen auch an 'einfach nichts tun und zu Hause abhängen' als regelmässige FZ-aktivität an (S 34/35). Diese Jugendlichen sind überwiegend älter (¾ zwischen 16 und 18 Jahre und 77.1% sind weiblich mit formal höherem Bildungstitel und weisen eine nahezu elitäre Bildungsorientierung auf und kommen überproportional häufig aus Familien ohne Migrationshintergrund. 4.2 Die peerorientierten Allrounder (n= 149; S. 35) – charakteristisch „(...) eine sehr heterogene Bandbreite an favorisierten und regelmässig angewählten Freizeitaktivitäten in Verbindung it Freundschaftsbeziehungen“ (Harring, 2010: 35). Heterogener Bildungshintergrund, jedoch hohe Bildungsorientierung, mehrheitlich weiblich und älter und stammen überproportional aus Familien mit Migrationshintergrund. 4.3 Die passiven Medienfreaks (n= S. 36) – ein viertel aller Befragten, gehen in der mediengeprägten Freizeitwelt auf: Spielkonsolen Computerspiele und Internet, ausserhäusliche Aktivitäten sind selten, soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen werden nur vereinzelt gepflegt; die Mitglieder dieses Clusters sind mehrheitlich jünger (13-15 J) und leicht männlich dominiert und mehrheitlich mit Migrationshintergrund und nur wenige sind in einer gymnasialen Ausbildung. 4.4 Die eingeschränkten Freizeitgestalter (n=141, S. 38) – leicht weiblich dominiert v.a. Mädchen mit Migrationshintergrund übervertreten, ebenso die 10 bis 12 Jährigen und verfügen nur über geringe selbst einteilbare freie Zeit, ihr Leben ist nach Familie und Schule (besuchen mehrheitlich Ganztagesschulen!) ausgerichtet , wenn Freizeitaktivitäten dann im familialen Kontext. Beziehungen zu Peers konzentrieren sich v.a. auf wenige Freundschaften, oft interkulturelle. 4.5 Die Organisierten (n= 63, S. 40) – überdurchschnittliche Aktivitäten in Jugendclubs, -verbänden und Vereinen, v.a. sportlich orientierte und besonderes Interesse an politischer Bildung, treffen sich mit ihren freunden in non-formalen Angeboten und im Gegensatz zu den anderen Jugendlichen spielt die Schule als Begegnungsort eine untergeordnete Rolle. In diesem Cluster sind mehrheitlich männliche Heranwachsende , die Familie als Moratorium und Rückzugmöglichkeit nutzen und ihre Freizeit bietet ihnen einen anderen festen Rahmen zur Erprobung eigener Interessen und Vorlieben. 54% weisen einen Migrationshintergrund auf und es finden sich mehr Hauptschüler/innen (20.6%) in diesem Cluster. 5. Die peerorientierten Allrounder – eine exemplarische Darstellung ausgewählter Ergebnisse 5.1 Soziales Kapital am Beispiel von Peerbeziehungen (S. 42) -> Darstellung gut, Balkendiagramm: peerorientierte Allrounder, alle und sonstige Cluster Freundschaften, Cliquen und Partnerschaften werden illustriert und diskutiert. Freizeitaktivitäten werden folgendermassen differenziert: 1. a) passive Freizeitaktivitäten: abhängen, Fernsehen, Musik hören 2. b) (neu)mediale Freizeitaktivitäten: Computer spielen, am Computer arbeiten, im Internet surfen 3. leseorientierte (printmediale) Freizeitaktivitäten: Zeitschriften, Zeitungen lesen, Bücher lesen 4. sport- bewegungsorientierte Freizeitaktivitäten: Sport, Radfahren

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Harring, M. (2010). Freizeit, Bildung und Peers – informelle Bildungsprozesse im Kontext heterogener Freizeitwelten und Peer-Interaktionen Jugendlicher. In Freundschaften, Cliquen und Jugendkulturen (pp. 21–59). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92315-4_2

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