Die ökonomische Bedrohung politischer Selbstbestimmung. Zum Verhältnis von Demokratie und Wohlfahrtsstaat

  • Nonhoff M
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Stellt man die Frage nach dem Verhältnis von Demokratie und Wohlfahrtsstaat, so stößt man unweigerlich auch auf die Spannung, die sich einstellt zwischen dem Streben nach politischer Selbstbestimmung und dem allgegenwärtigen ökonomischen Imperativ, der die Möglichkeiten dieser Selbstbestimmung stets zu beschränken scheint. Der ökonomische Imperativ, d. h. die imperative Denkungsart, Politik und Gesellschaft allein unter dem Gesichtspunkt der zu ermöglichenden Effizienzsteigerung und Kommodifizierung zu betrachten, hat in den vergangenen Jahren demokratisches Entscheiden immer stärker geprägt, kanalisiert, im Extremfall sogar determiniert. Die Terminologie der Alternativlosigkeit angesichts ökonomischer Zwänge ist wenigstens in der Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik weit verbreitet. Dass damit der Einrichtung des demokratischen Streits und des konfliktbeladenen politischen Entscheidens zusehends die normative Rechtfertigung entzogen wird, ist einer der zentralen Kritikpunkte, die in jenem Strang der jüngeren Demokratietheorie, der lose mit dem Begriff der Postdemokratie verbunden ist, regelmäßig wiederkehren.1 Die These der Entpolitisierung der Politik findet sich prominent bei Colin Crouch (2004), der sie einerseits an der spektakulären Ritualisierung der Politik, andererseits aber auch am Niedergang des — ohnehin in den westlichen Demokratien großteils eingehegten — Klassenkonflikts festmacht. Radikaler noch als Crouch formulierte der französische politische Philosoph Jacques Rancière bereits einige Jahre zuvor seine Kritik an der konsensuellen Postdemokratie: Indem sie kontinuierlich durch die administrative Maschine produzierte, vermeintlich vernünftige, einzig sinnvolle Konsense vorschütze, schließe die Postdemokratie den Faktor der Erscheinung eines widerständigen Volkes aus: „Es handelt sich um die Idee einer Demokratie ohne demos, die sich im einfachen Spiel von staatlichen Institutionen und Gesellschaft ausbildet (Rancière 1997: 109).

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Nonhoff, M. (2008). Die ökonomische Bedrohung politischer Selbstbestimmung. Zum Verhältnis von Demokratie und Wohlfahrtsstaat. In Bedrohungen der Demokratie (pp. 287–308). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91156-4_17

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