Man kann — wie Heinrich Oberreuter in vielen seiner zahlreichen und höchst lesenswerten Arbeiten zum Parlamentarismus — auf einem engen Parlamentarismusbegriff bestehen: wirkliche Parlamente gäbe es nur dort, wo Abgeordnete in freien Wahlen ins Amt kämen und die so entstehende Vertretungskörperschaft erheblichen politischen Einfluss besitze. Parlamente sind dann ein Institutionentyp, der keine zweihundert Jahre alt ist, und sie bestehen allenfalls ihrer formalen Hülle nach in fast allen Staaten, tatsächlich aber nur in der vergleichsweise kleinen Gruppe echter Demokratien. Durch eine solche Fassung des Parlamentsbegriffs erhält man im Grunde aber nur als Abgrenzung zwischen Parlamenten und ‚Nichtparlamenten’, was sich besser als Abschichtung sehr unterschiedlicher Leitideen, Bestellungsmodalitäten, Entwicklungsstufen und Einbettungsverhältnisse von Vertretungskörperschaften in das sie umgebende politische System verstehen und ausdrücken lässt. Wie fruchtbar ein entsprechend weiter Parlamentarismusbegriff sein kann, soll im folgenden gezeigt werden. Zugleich wird in den vom Dresdner Sonderforschungsbereich ‚Institutionalität und Geschichtlichkeit’ entwickelten, parlamentarismusanalytisch höchst fruchtbaren Ansatz des Evolutorischen Institutionalismus eingeführt.
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Patzelt, W. J. (2008). Vom Nutzen eines weiten Parlamentsbegriffs: Leitideen und institutionelle Formen des Parlamentarismus. In Res publica semper reformanda (pp. 224–239). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90763-5_20
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