Die Übereinstimmung von Parlamentsabgeordneten und Bevölkerung in politi-schen Einstellungen und Streitfragen ist ein zentraler normativer Maßstab und empirischer Indikator für die Funktionsweise repräsentativer Demokratien. Der vorliegende Beitrag bestimmt die Bedeutung dieser substantiellen Kongruenz für repräsentative Demokratien, die als Ensembles von drei interdependenten sozialen Grundkonfigurationen verstanden werden: Prinzipal-Agent-Beziehun-gen, Wettbewerb und antagonistische Kooperation. Diese Ensembles können einen Anreiz für ParlamentarierInnen erzeugen, substantielle Kongruenz durch Responsivität oder politische Führung herbeizuführen. Empirisch zeigt sich für Deutschland ein erhebliches Maß an substantieller Kongruenz bei politischen Streitfragen, bei denen die Parteien konkurrierende politische Angebote offerie-ren. Eine ausgeprägte Distanz besteht jedoch bei Streitfragen, bei denen unter den Abgeordneten eine parteiübergreifende Übereinstimmung vorherrscht, denn damit sind die Aus-und Abwahlmöglichkeiten der Bevölkerung verringert. Po-litische Professionalisierung verringert das individuelle Abwahlrisiko zusätzlich. Folglich sind stärker professionalisierte Abgeordnete bei den Streitfragen noch einmal weiter von der Bevölkerung entfernt, bei denen die parteiübergreifende Übereinstimmung unter den ParlamentarierInnen ohnehin zu substantieller Distanz geführt hat. Bei den Einstellungen jedoch, wo Parteienwettbewerb vor-herrscht, besitzt der individuelle Professionalisierungsgrad der Abgeordneten keinen Einfluss, denn in diesem Falle beruht substantielle Kongruenz auf der kollektiven Positionierung der Parteien.
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Vogel, L. (2018). Die inhaltliche Übereinstimmung zwischen Abgeordneten und Bevölkerung im Spannungsfeld von Repräsentation und Professionalisierung. In Soziologie der Parlamente (pp. 135–174). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19945-6_6
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