Einleitung

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Der Körper, seine Natur und unser Verständnis davon sind derzeit intensiv debattierte Themen der öffentlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung: Debatten um Gen- und Reproduktionstechnologien stellen die Gegebenheit und die Vielfalt der menschlichen Körper womöglich in Frage, z.B. wenn bei pränatalen Gen- und Ultraschalltests diagnostizierte ‚Anomalien‘ zu Abtreibungen führen. Werden wir uns also in Zukunft die Beschaffenheit der Körper unserer Kinder vor ihrer Zeugung bzw. Geburt aussuchen können – oder gar müssen? ‚Neue‘ Krankheiten wie ‚Fettleibigkeit‘ oder ‚Burn Out-Syndrome‘ machen medienwirksam deutlich, wie sehr die Zustände und Wahrnehmungen des Körpers von sozialen Kontexten abhängen. Dies wird auch verhandelt, wenn unter dem Stichwort ‚Wellness‘ allerlei Konsumierbares angeboten wird: Reisen, Wohnungseinrichtungen, Duschgel, Kerzen, Yoghurts – um nur einiges zu nennen. Neue medizinische Verfahren, die es ermöglichen, beispielsweise dem „Gehirn beim Denken zuzuschauen“ (so wird ein bildgebendes Verfahren von einem Hersteller medizinischer Geräte beworben), erwecken den Eindruck, den Körper gänzlich sicht- und damit womöglich beherrschbar zu machen. Die Virtualität der digitalen Kommunikations- und Informationsmedien lösen gleichermaßen Ängste und Euphorien ob des vermeintlichen Verschwinden des Körpers aus und manche Fragen sich gerade in Bezug auf neue Medien, „was vom Körper übrig bleibt“ (Becker/Schneider 2000). Neue Medienformate – wie z.B. „The Swan – endlich schön“ (Pro7, 2004) – inszenieren den Körper als Rohstoff im Dienste der Selbstoptimierung und man weiß derzeit nicht so recht, ob diese Inszenierungen bizarre Medienphänomene sind oder vielmehr eine Wirklichkeit spiegeln, in der die plastische Chirurgie als ‚Schönheitsoperation‘ längst eine normale Option geworden ist. Immer mehr Menschen fragen sich immer expliziter: Was ist der menschliche Körper, wenn sich nicht nur Tiere, sondern auch Menschen zumindest potenziell gentechnisch ,herstellen‘ (klonen) lassen? Ist der menschliche Körper bloße ,Materie‘ im Sinne eines biologischen Rohmaterials? Welche Formen muss ein Körper haben, um als ‚gesund‘ zu gelten? Wie wichtig ist der Körper für die Kommunikation? Stellen etwa die Plastinate der massenhaft besuchten Ausstellung ,Körperwelten‘ (u.a. in Mannheim 1997; Japan 1998; Köln 1999; Oberhausen 2000; Berlin 2001; Brüssel 2001/02; London 2003; Seoul/Korea 2003/04; Singapur 2003/04, Taipeh/Taiwan 2004; Los Angeles 2004/05; Chicago 2005 mit weltweit über 17 Millionen Besucher) wirklich unsere Körper dar?3 Oder ist es vielmehr so, wie Duden (1997: 490f.) in Bezug auf eine andere, ähnliche Ausstellung zum Körper4 schreibt: „Beim Ausgang hatte ich das Gefühl, ich sei meiner Leibhaftigkeit entkleidet worden, hätte sie abgelegt. (…) Hier waren alle Dimensionen verrückt, jede Orientierung an einem Soma, am Körper, Fleisch, Sensibilität waren ausgelöscht, (…)“. So wie Duden ergeht es womöglich wohl vielen Menschen, die die aktuelle Medikalisierung, Biologisierung, Entnaturalisierung, Normierung und Kommerzialisierung des Körpers in der öffentlichen Diskussion mit Unbehagen betrachten. Unbehaglich zumute ist auch vielen beim Anblick gepiercter und tätowierter Jugendlicher – aus verschiedenen Gründen. Die einen sehen den Verlust der Distinktion drohen, die solche Körperpraxen auszeichnete, als Tätowierungen oder Piercings noch ein sicherer Hinweise auf die Zugehörigkeit zu einer sexuellen, politischen oder ästhetischen Subkultur jenseits des kommerziellen Mainstream waren. Andere beklagen den Verlust des ‚guten Geschmacks‘ und der klaren Unterscheidung zwischen ‚Zivilisierten‘ und ‚Wilden‘.

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Villa, P.-I. (2011). Einleitung. In Sexy Bodies (pp. 23–34). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93415-0_1

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