Rechtliche Grundlagen der Parteiendemokratie

  • Merten H
N/ACitations
Citations of this article
2Readers
Mendeley users who have this article in their library.
Get full text

Abstract

1 Funktion und Status der politischen Parteien Es gibt keine Demokratie ohne politische Parteien. Parteien sind unabdingbar für die Verwirklichung eines demokratischen parlamentarischen Regierungssystems. Sie sind wesentliche Faktoren für die Willensbildung der Bürger und erfüllen eine maßgebliche Transformationsfunktion des Willens von den Bürgern zu den Entscheidungsträgern. Der entscheidende Einfl uss, der unter der Geltung der Volkssouveränität dem Volk bei der Rechtfertigung und inhaltlichen Bestimmung der Staatsgewalt zukommt, bedarf der Organisation. Folgerichtig benötigt man Organisationen, welche die Willensbildung des Volkes ermöglichen und politisch zur Geltung bringen. Normativ betrachtet ist das Par-teiwesen und sein rechtlicher Schutz eine notwendige Spezifi zierung der Volkssouverä-nität und mithin ein zentrales Element der Ausgestaltung des Demokratieprinzips. Dem trägt das Grundgesetz dadurch Rechnung, dass es die Parteien mit einem eigenen Artikel bedenkt (Klein 2012). Artikel 21 des Grundgesetzes (GG) anerkennt und schützt die Par-teien als wesentliche Faktoren bei der politischen Willensbildung, legt bestimmte Rechte und Pfl ichten der Parteien fest und regelt den Ausschluss verfassungswidriger Parteien. Das Nähere ist einer bundesgesetzlichen Regelung überlassen (Art. 21 Abs. 3 GG). Die Regelung des Art. 21 Abs. 1 GG gibt den Parteien eine Reihe von Rechten und Pfl ichten auf. Diese werden strukturiert als Status der Freiheit, der Gleichheit und der Öff entlichkeit der Parteien (Hesse 1959: 11 ff ., Häberle 1967: 64 ff ., Morlok 2006: 350 ff .), ergänzt um das Prinzip der innerparteilichen Demokratie. Diese vier Aspekte sind keinesfalls isoliert zu betrachten, sondern als ein einheitliches, ohne gegenseitigen Bezug unverständliches Bündel von Rechten und Pfl ichten. Der Status der Freiheit soll gewähr-leisten, dass der demokratische Prozess der Willensbildung und der Gewährung politi-scher Unterstützung frei von staatlicher Einfl ussnahme ist. Der Status der Gleichheit will dafür Sorge tragen, dass die politischen Parteien am demokratischen Wettbewerb unter gleichen Bedingungen teilnehmen können. Der Status der Öff entlichkeit soll schließlich gewährleisten, dass der Bürger das Parteigeschehen ungehindert verfolgen kann, ins-besondere in fi nanzieller Hinsicht, um seine politische Unterstützung tatsächlich auch den Kräft en zukommen zu lassen, die seinen Auff assungen und Interessen am nächsten stehen. Last but not least schreibt Art. 21 Abs. 1 GG das Gebot der innerparteilichen Demokratie fest. Das heißt, der Innenbereich der politischen Parteien muss nach demo-kratischen Regeln strukturiert sein. Die Regelung des Art. 21 GG kann jedoch innerhalb des Grundgesetzes nicht isoliert betrachtet werden. Sie knüpft einmal an Art. 20 GG an, speziell an Art. 20 Abs. 2 GG, in dem die Volkssouveränität geregelt ist. Volkssouveränität heißt, dass das Volk einen eff ektiven Einfl uss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch die Organe der Gesetzge-F. Decker, V. Neu (Hrsg.), Handbuch der deutschen Parteien, DOI 10.1007/978-3-658-00963-2_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 78 Heike Merten bung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung hat. Organe der Einfl ussnahme auf das politische Geschehen sind die politischen Parteien. In ihnen werden Interessen und Auff assungen erfasst und zu konkreten politischen Zielen gebündelt und formuliert. Sie haben eine Transformationsfunktion bei der Strukturierung und Bildung der politi-schen Auff assungen der Bevölkerung und ihrer Umsetzung in den Entscheidungen der staatlichen Organe. Systematisch nehmen sie eine Zwischenstellung zwischen dem von grundrechtlicher Freiheit geprägten Bereich des gesellschaft lichen Geschehens und dem verfassten Bereich der staatlichen Institutionen ein. Bei den Wahlen und Abstimmungen des Volkes, die das Prinzip der Volkssouveränität zum Ausdruck bringen, haben die poli-tischen Parteien eine maßgebliche und zentrale Rolle, wenn auch keine Monopolstellung. Zum anderen steht die Regelung des Art. 21 GG im Zusammenhang mit jenen Grund-rechten, die auch demokratische Mitwirkungsrechte gewähren. Das Recht auf politische Betätigung bedingt das Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Dieses kann wirkungsvoll nur im Zusammenhang mit anderen Bürgern wahrgenommen werden: in Form von Versammlungen und Demonstrationen (Art. 8 Abs. 1 GG), durch die festere und längerfristige Form der Vereinigung (Art. 9 Abs. 1 GG) und schließlich durch die Gründung und die Mitarbeit in einer politischen Partei (Art. 21 Abs. 1 GG). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rolle der politischen Parteien bei der Gestaltung des politischen Geschehens verfassungsrechtlich anerkannt ist und folgerich-tig in der Verfassung durch Art. 21 GG manifestiert wurde. Das Grundgesetz stattet die Parteien mit den notwendigen rechtlichen Sicherungen zur Erfüllung ihrer Funktionen aus. Diese Gewährleistungen gelten ausschließlich für politische Parteien und sind streng zu unterscheiden von den Gewährleistungen, die das Grundgesetz den Vereinigungen durch Art. 9 GG zukommen lässt. Klärungsbedürft ig ist daher zunächst einmal die Fra-ge, was unter dem Begriff politische Parteien verstanden wird.

Cite

CITATION STYLE

APA

Merten, H. (2013). Rechtliche Grundlagen der Parteiendemokratie. In Handbuch der deutschen Parteien (pp. 77–110). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00963-2_3

Register to see more suggestions

Mendeley helps you to discover research relevant for your work.

Already have an account?

Save time finding and organizing research with Mendeley

Sign up for free