In schulischen Interaktions- und Anerkennungsverh{ä}ltnissen sind dabei die Anerkennungsmodi der moralischen und individuellen Anerkennung auf eine besondere Weise miteinander verflochten (vgl. Helsper/Sandring/Wie- zorek 2005, Helsper/Kr{ü}ger u. a. 2006). Diese Verwobenheit entsteht dadurch, dass individuell erbrachte schulische Leistungen der Sch{ü}ler einer universalisti- schen Leistungsbewertung ohne Bezugnahme auf ihre partikularen Besonderhei- ten unterliegen. 250 Problematik, dass familial unerf{ü}llte Anerkennungsw{ü}nsche in den schulischen Raum getragen werden. 251f Besonders anerkennungsbed{ü}rftige Kinder und Jugendliche (wie Mercedes) bewegen sich in der Gesamtschule in einem vollkommen inkonsistenten Aner- kennungsraum, wo der Anspruch erhoben wird, auf ihre Bed{ü}rfnisse einzugehen und sie zu stabilisieren, dabei aber systematisch hinter diesen Anspruch zur{ü}ck- gefallen wird. 252 In dieser Hauptschulkultur, die durch emotional stabilisierende Haltungen der Leh- rerschaft getragen wird, die vorrangig an der ganzen Person der Sch{ü}ler interessiert sind, entwickelt sich der ‚sozial abgewertete Bildungsort Hauptschule` f{ü}r einen Teil der Jugendlichen zu einem Ort der Stabilisierung und wird zu einem sozialen Kontrastraum, der ihnen Bildungsoptionen er{ö}ffnet und neue Anerken- nungsm{ö}glichkeiten generiert (vgl. auch Helsper/Wiezorek 2006, Wiezorek 2006). Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass {ü}ber die Ber{ü}cksichtigung der besonderen emotionalen Anerkennungsbed{ü}rftigkeit derartige Jugendliche zwar stabilisiert werden und dadurch {ü}berhaupt erst in der Lage sind, schulische Bil- dungsoptionen wahrzunehmen, dies jedoch um den Preis geschieht, dass die Vermittlung von Sachbez{ü}gen st{ä}rker in den Hintergrund tritt. 252f Diese Hauptschule steht damit f{ü}r einen schulischen Raum, in dem sehr stark R{ü}cksicht auf die prim{ä}ren emotionalen Anerkennungsbed{ü}rftigkeiten der Jugendlichen genom- men wird. Dies ist aber nur machbar, wenn sich die Schule intern selbst teilweise ‚entschult` und in eine st{ä}rker sozialp{ä}dagogisch orientierte Institution transfor- miert, Hilfestellungen, St{ü}tzungen und solidarische Vergemeinschaftungen sehr stark in den Vordergrund r{ü}ckt und schulische Prinzipien der Wissensvermitt- lung, Leistungserbringung und Bewertung ganz weitreichend relativiert. Schu- len, die sich soweit entschulen und auf die Bed{ü}rfnisse ihrer Sch{ü}lerklientel einlassen, begeben sich damit auf eine Gratwanderung zwischen einer schuli- schen und einer sozialp{ä}dagogischen Institution.253
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Sandring, S. (2013). Schulversagen und Anerkennung. Schulversagen und Anerkennung. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94293-3
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