Windkraft im Wald und Fledermausschutz – Überblick über den Kenntnisstand und geeignete Erfassungsmethoden und Maßnahmen

  • Hurst J
  • Biedermann M
  • Dietz C
  • et al.
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Abstract

In Deutschland werden immer mehr Windenergieanlagen (WEA) an Wald- standorten errichtet. Für fast alle Fledermausarten stellen Wälder sensible Lebensräume dar, die sowohl als Quartier- als auch als Jagdgebiete genutzt werden. Neben dem Kollisionsrisiko sind an Waldstandorten auch erhebliche Lebensraumverluste zu erwarten. Um auch an Waldstandorten zu gewähr- leisten, dass der Ausbau der Windkraft nicht zu Lasten des Fledermausschutzes geschieht, müssen die Fledermausbestände mit spezifischen Methoden erfasst und muss auftretenden Konflikten mit angepassten Maßnahmen begegnet werden. Akustische Erfassungen an Waldstandorten sowohl an Windmessmasten als auch an WEA-Gondeln zeigen, dass über dem Wald die gleichen Arten aktiv und somit kollisionsgefährdet sind wie im Offenland, die Zwergfledermaus, die Rauhautfledermaus, die Mückenfledermaus und die ähnlich rufenden Arten Abendsegler, Kleinabendsegler, Nord-, Breitflügel- und Zweifarbfledermaus. Zudem ist die Aktivität wie auch im Offenland abhängig von Temperatur, Windgeschwindigkeit sowie Nacht- und Jahreszeit. Die Artengruppen Myotis sowie Plecotus werden an Waldstandorten nur in Ausnahmefällen über den Baumkronen aufgezeichnet. Auch die Mopsfledermaus wird äußerst selten oberhalb des Kronendachs detektiert. Für diese Arten besteht daher im Normalfall kein erhöhtes Kollisionsrisiko. In der Nähe von Quartieren, z. B. Balzquartieren des Kleinabendseglers, können ungewöhnliche Aktionsmuster auftreten. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kollisionsrisiko im Wald nicht generell höher ist als im Offenland. Daher können auch an Waldstandorten gängige Abschaltalgorithmen zur Vermeidung von Kollisionen auf Grundlage der Ergebnisse eines Gondelmonitorings entwickelt und angewendet werden. Allerdings muss an Waldstandorten vor allem in der Nähe von Quartieren kollisionsgefährdeter Arten auf Abweichungen vom üblichen Aktivitätsverlauf geachtet werden. Eine wichtige Stellschraube für einen effizienten Schutz von Fledermauspopulationen ist die Zahl zulässiger Schlagopfer pro Anlage, die möglichst gering gewählt werden sollte. Da ein erhöhtes Kollisionsrisiko für Fledermäuse sowohl an Standorten im Wald als auch im Offenland zu erwarten ist, sind anlagenspezifische Abschaltzeiten dem Stand der Technik folgend für jede WEA zu beauflagen. Lebensraumverluste an Waldstandorten betreffen alle Arten, die Baumquartiere beziehen. Vor allem Wochenstuben sind gefährdet, wenn Anlagen in Quartier- zentren gebaut werden und dadurch zahlreiche genutzte und potenzielle Quartiere zerstört werden. Darüber hinaus können Arten wie die Bechsteinfledermaus, die den geschlossenen Wald als Jagdgebiet bevorzugen, durch die Rodungs- arbeiten auch essenzielle Jagdhabitate verlieren. Ob Störungen durch den Betrieb von WEA sowie mikroklimatische Veränderungen durch die Öffnung ehemals geschlossener Waldbereiche außerdem dazu führen, dass auch an die Rodungs- flächen angrenzende Waldhabitate nicht mehr genutzt werden, ist Gegenstand aktueller Forschungen. Um Lebensraumverluste weitestgehend zu vermeiden, müssen die Quartierbereiche und Jagdgebiete der waldgebundenen Fledermaus- arten vor Errichtung der WEA intensiv erfasst werden. Hochwertige, ältere Wald- gebiete mit einem großen Quartierangebot sollten von vornherein nicht in die Standortplanung für WEA einbezogen werden. Wiederholte Netzfänge bei guten Bedingungen sowie die Telemetrie reproduktiver Weibchen über einen längeren Zeitraum sind notwendig, um bedeutende Quartierbereiche und Jagdhabitate der jeweiligen Kolonien im Wald finden und abzugrenzen zu können. Nachgewiesene Quartiergebiete und essenzielle Jagdhabitate sollten aus Vorsorgegründen zuzüg- lich eines 200-m-Pufferbereichs von der Windkraftnutzung ausgenommen werden. Als Ausgleichsmaßnahme eignet sich vor allem der dauerhafte Nutzungsverzicht auf Waldflächen in Quartierbereichen und daran angrenzenden Flächen mit Auf- wertungspotenzial in Kombination mit dem Ausbringen von Fledermauskästen.

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Hurst, J., Biedermann, M., Dietz, C., Dietz, M., Reers, H., Karst, I., … Brinkmann, R. (2020). Windkraft im Wald und Fledermausschutz – Überblick über den Kenntnisstand und geeignete Erfassungsmethoden und Maßnahmen. In Evidenzbasierter Fledermausschutz in Windkraftvorhaben (pp. 29–54). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61454-9_2

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