Der Versuch, die soziale Lage von Frauen in unserer Gesellschaft einzuschätzen, gleicht der Frage, ob ein zur Hälfte gefülltes Glas „halbleer`` oder „halbvoll`` ist. Auf der einen Seite sind, darauf weist die Frauenbewegung immer wieder hin, in der Bundesrepublik wie in anderen Industrieländern die sozialen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen keineswegs aufgehoben, sondern bestehen auf vielen Ebenen fort; ja sie werden sich in Zukunft möglicherweise noch verschärfen im Zuge der wirtschaftlichen Probleme, der steil ansteigenden Arbeitslosigkeit und der Krise des Wohlfahrtsstaates. Auf der anderen Seite, und ohne diesen Hintergrund ist auch das Entstehen der neuen Frauenbewegung gar nicht zu begreifen, haben während der letzten Jahrzehnte grundlegende Veränderungen im weiblichen Lebenszusammenhang stattgefunden --- in der Familie ebenso wie in bezug auf Ausbildung, Beruf, Rechtssystem, Öffentlichkeit usw. ---, die Annäherungen zwischen weiblicher und männlicher Normalbiographie eingeleitet haben. Beide Sichtweisen --- der Vergleich mit den Männern wie der historische Vergleich --- beinhalten je für sich genommen charakteristische Verkürzungen und Einseitigkeiten.
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Beck-Gernsheim, E. (2008). Vom „Dasein für andere“ zum Anspruch auf ein Stück „eigenes Leben“: Individualisierungsprozesse im weiblichen Lebenszusammenhang. In Geschlechterdifferenzen — Geschlechterdifferenzierungen (pp. 19–61). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90831-1_2
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