Alljährlich im Herbst wiederholt sich ein eigenartiges Ritual. Die OECD stellt ihr Zahlenwerk „Education at a Glance`` (EaG; dt.: Bildung auf einen Blick) vor und stellt der Bildungsrepublik Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. Neben der alljährlichen Mahnung, Deutschland müsse mehr Abiturienten und Akademiker „produzieren`` um international nicht den Anschluss zu verlieren, steht immer auch die Höhe der Bildungsausgaben am Pranger. Deutschlands Bildungsausgaben liegen unterhalb des OECD-Durchschnittswerts, diese Meldung beherrscht dann für einige Tage die Medien. Im OECD-Report vom September 2009 heißt es beispielsweise, dass in Deutschland nur 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung zur Verfügung stehe. Der OECD-Mittelwert liege dagegen bei 5,5 Prozent. Man muss nicht auf Gegenrechnungen deutscher Finanzminister zurückgreifen um gegenläufige Thesen zu begründen, man findet sie in ein und demselben OECDBericht: „Bei Betrachtung der Ausgaben pro Schüler/Studierenden liegt Deutschland mit 7.900 US Dollar über dem OECD-Durchschnitt von 7.800 US-Dollar und dem EU-19- Durchschnitt von 7.600 US-Dollar.`` Was auf den ersten Blick vielleicht wie eine Verwechslung aussehen mag, ist in der Sache durchaus richtig. Es stimmt tatsächlich beides: Die deutschen Bildungsausgaben liegen sowohl über wie unter dem OECD-Durchschnitt. Je nachdem, welche Kennziffer man betrachtet -- und je nachdem, welche politischen Absichten man verfolgt. Die in der BRD höheren Pro-Kopf-Ausgaben erklären sich vor allem aus der demographischen Entwicklung: Länder mit sinkenden Schüler- und Studentenzahlen haben naturgemäßtendenziell geringere Bildungsausgaben -- aber durch die Verteilung auf weniger Schüler und Studenten kann pro Kopf mehr Geld zur Verfügung stehen. Es liegt auf der Hand, dass beispielsweise die GEW oder die KMK aus demselben Datenwerk für völlig konträre Positionen Argumente beziehen können.
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Barz, H. (2010). Bildungsfinanzierung: Aktualität, Grundlagen, Unschärfen. In Handbuch Bildungsfinanzierung (pp. 15–27). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92520-2_1
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