Der Beitrag widmet sich vor dem Hintergrund der jüngst von Peter Imbusch vorgeschlagenen Revitalisierung dem Konzept der strukturellen Gewalt. Entgegen der von Imbusch vertretenen fruchtbaren Reintegration des Konzeptes in neuere gewaltsoziologische Forschungen wird hier die These einer diesbezüglichen analytischen Überschätzung vertreten. Vor dem Hintergrund eines einfachen (bezugsproblemorientierten) Vergleichs wird aufgezeigt, dass eine Berücksichtigung für die neuere gewaltsoziologische Forschung insofern überschätzt wird, als das Konzept nicht auf Gewalt ( violentia ), sondern auf Macht ( potestas ) abzielt. Darüber hinaus wird konstatiert, dass die von Imbusch postulierte gewaltsoziologische Engführung auf Körper und Leid keineswegs eine nicht zu rechtfertigende Fokussierung darstellt. Gerade Ansätze der neueren gewaltsoziologischen Forschung sind mit diesem Bezugsrahmen in der Lage, Gewalt und Macht analytisch trennscharf zu behandeln und eine differenzierte Betrachtung struktureller und kultureller Faktoren im Kontext nicht normativer und a priori dyadischer (de-)legitimierender Gewaltbeobachtungen vorzunehmen. Aspekte, die sich hingegen für eine galtungsche Friedens- und Konfliktforschung als fruchtbar erweisen können. Against the background of the recently proposed fruitful revitalization of Galtung’s approach into the sociological violence research by Peter Imbusch, this article focus on structural violence. Contrary to Imbusch, here, the thesis of an analytical overestimation of structural violence is presented. Given the fact of a simple (reference problem-oriented) comparison, structural violence is insofar overestimating for the recent sociological violence research as it does not aim at violence ( violentia ) but power ( potestas ). Moreover, the sociological focus on body and suffering as postulated by Imbusch is by no means unjustifiable. With this frame of reference, sociological violence research can treat violence and power with a high degree of analytical precision and conduct a differentiated examination of structural and cultural factors in the context of non-normative and a priori dyadic (de-)legitimizing observations of violence. These aspects, on the other hand, can prove fruitful for constructive peace and conflict research.
CITATION STYLE
Braun, A. (2021). Strukturelle Gewalt – ein analytisch überschätzter Begriff. Zeitschrift Für Friedens- Und Konfliktforschung, 10(1), 5–35. https://doi.org/10.1007/s42597-021-00057-1
Mendeley helps you to discover research relevant for your work.