Der Wandel sozialpolitischer Aufgaben hat zu einer zunehmenden Soziologisierung sozialpolitischer Praxis beigetragen. Im vorliegenden Beitrag geht es um die Begründung und theoretische Ausarbeitung dieser These. Behauptet wird eine wachsende Kongruenz praktischer und soziologischer Definitionen gesellschaftlicher Probleme, eine Kongruenz, von der wir annehmen, daß sie strukturell bedingt ist. Zwar ist der Soziologe — anders als der Nationalökonom — heute noch nicht in der Lage, auf eine eigenständige und ausgearbeitete Theorie der Sozialpolitik zurückzugreifen, eine „eigenständige“ Theorie wäre vermutlich auch gar nicht sinnvoll und wünschbar; dennoch stehen wir hier, hinsichtlich ausgearbeiteter Theoriestücke mit mehr als nur leeren Händen da. Eine Theorie personenbezogener Dienstleistungen, wie wir sie im folgenden zu umreißen suchen, hätte u. E. insbesondere drei Vorzüge: Zum einen erlaubt sie eine Verknüpfung makroanalytischer und mikroanalytischer Überlegungen; zum zweiten gewährleistet ihr Anknüpfen an Einsichten der Wirtschaftsstatistik und der Dienstleistungsökonomie eine direkte Verbindung zur Wirtschaftswissenschaft und damit zur im Felde der Sozialpolitik bisher wichtigsten Nachbardisziplin; zum dritten schließlich ermöglicht der hier vorgetragene Ansatz eine kritisch-integrative Aufarbeitung bereits vorhandener, bislang noch meist unverbunden nebeneinanderher existierender Bindestrichsoziologien und der dort geleisteten historischen und empirischen Forschungen. Und er vermag seinerseits — so hoffen wir — neue historische oder empirische Forschungen anzuregen.
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Gross, P., & Badura, B. (1977). Sozialpolitik und soziale Dienste: Entwurf einer Theorie personenbezogener Dienstleistungen. In Soziologie und Sozialpolitik (pp. 361–385). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83545-1_15
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