In der vergangenen Dekade formierte sich in Europa, aber auch in den USA und in Russland, eine anti-feministische Bewegung, die unter der selbstgewählten Bezeichnung „Anti-Genderismus“ gegen Gleichstellungspolitik (Gender Mainstreaming), Frauen- und Geschlechterforschung (Gender Studies) sowie gegen sexuelle Differenz (z. B. Homo-Ehe) mobilisiert. In jüngster Zeit haben auch rechtspopulistische und extrem rechte Akteure den Anti-Gender-Diskurs für ihre nativistische und völkische Propaganda entdeckt. Der Artikel leuchtet die gesellschaftlichen und politischen Ursachen der anti-genderistischen Mobilisierung aus und verortet deren Erfolg in den umfassenden Transformationen der Geschlechterregime, vor allem in sogenannten starken Familienernährerstaaten wie Deutschland und Österreich. Der Text argumentiert, dass Geschlechter- und Sexualitätsverhältnisse eine prominente Rolle in einem neuartigen Kampf um politische Hegemonie einnehmen, wenn auch mit unterschiedlichem Tempo und unterschiedlicher thematischer Schwerpunktsetzung in den europäischen Ländern. Mit einer Frame-Analyse ausgewählter Texte der Anti-Gender-Akteure arbeitet der Artikel zentrale Argumentationsmuster heraus und zeigt, dass „Gender“ im rechtspopulistischen Diskurs als „leerer Signifikant“ wirkt: Ganz unterschiedliche Themen der antagonistischen rechten Kommunikation können mit bzw. gegen „Gender“ aufgerufen und in eine Strategie gegen „die da oben“ sowie gegen die vermeintlich „Anderen“ eingebaut werden. So bildet der Anti-Gender-Diskurs die Grundlage einer „männlichen Identitätspolitik“.
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Sauer, B. (2019). Anti-feministische Mobilisierung in Europa. Kampf um eine neue politische Hegemonie? Zeitschrift Für Vergleichende Politikwissenschaft, 13(3), 339–352. https://doi.org/10.1007/s12286-019-00430-8
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