Das klassische Erklärungsprogramm

  • Maurer A
  • Schmid M
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Abstract

In den nächsten Kapiteln wollen wir klären, was unter einer sozialwissenschaft-lichen Erklärung zu verstehen ist. Zu diesem Zweck werden wir einen kurzen Blick in die Wissenschaftsphilosophie werfen und das von Carl G. Hempel ge-meinsam mit Paul Oppenheim (s. Hempel 1965, S. 168; Hempel und Oppenheim 1948) entwickelte klassische Erklärungsmodell sichten, das bis heute auch in den Sozialwissenschaften große Resonanz ¿ ndet. Zur Vorbereitung unserer metho-dologischen Überlegungen werden wir in gebotener Kürze die von Hempel auf-gezeigten Erkenntnisziele und die Logik seines Erklärungsmodells skizzieren, die daran geübte Kritik darstellen und die Konsequenzen resümieren, die sich daraus für die weitere soziologische Erklärungsarbeit ergeben. 2.1 Erkenntnisziele einer erklärenden Wissenschaft Unserer Auffassung nach zeichnet sich die Soziologie – wie alle Sozialwissen-schaften – durch das Ziel aus, die soziale Realität theoretisch zu erkennen und zu erklären. Damit sind zunächst zwei Zugänge verwehrt: Es kann einer Wis-senschaft nicht darum gehen, die Gegenstände, Prozesse und Zusammenhänge, die sie erforschen möchte, in erster oder gar ausschließlicher Weise bewerten oder normativ beurteilen zu wollen; die Wissenschaften haben eine kognitive, keine normative oder wertbestimmende Aufgabe. Max Webers (1988/1922) Pe-titum zugunsten einer werturteilsfreien Wissenschaft, über das viel geschrieben wurde, halten wir für einsichtig und verpÀ ichtend (vgl. Albert 1976, S. 160 ff.). Sodann kann es nicht das alleinige Ziel der theoretischen Wissenschaften sein, zu erheben und darzustellen, was es gibt oder gegeben hat. Die theoretischen Wissenschaften erschöpfen sich nachdrücklich nicht in Beschreibungen und Erzählungen, 1 sondern sind auch und vor allem darauf aus, mithilfe allgemeiner Begriffe und theoretischer Aussagen der Frage nachzugehen, welche (kausalen) Prozesse, die der unmittelbaren Beobachtung nur auszugsweise zugänglich sind, erklärungsbedürftigen oder rätselhaften Sachverhalten zugrunde liegen. Als rät-selhaft oder problematisch gelten einer theoretischen Wissenschaft bestimmte 1 Narrationen werden in erster Linie durch die Geschichtswissenschaften angeboten. Zur Frage, inwieweit (auch) die Geschichtswissenschaften eine Erklärungsaufgabe haben, ist Hempel (1965, S. 239) aufschlussreich.

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Maurer, A., & Schmid, M. (2010). Das klassische Erklärungsprogramm. In Erklärende Soziologie (pp. 23–53). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92591-2_2

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