Grundlagen der Standards Gruppe 3

  • Holtmannspötter D
  • Schulz-Montag B
  • Zweck A
  • et al.
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Abstract

Die dritte Gruppe beinhaltet Standards, die sich aus den Aufgaben von Zu-kunftsforschung ergeben. Zukunftsforscher werden oft mit der Erwartung konfrontiert, dass sie möglichst sichere Prognosen über zukünftige Zustände, Ereignisse und Verläufe abgeben, beispielsweise um auf dieser Basis politische Entscheidungen treffen zu können oder Investitionsentscheidungen absichern zu können. Wie im Kapitel Grund-lagen der Standards Gruppe 1 dargelegt, stößt die Forderung, die Zukunft exakt vorherzusagen, jedoch an unüberwindbare erkenntnistheoretische und praktische Grenzen (vgl. Standard Prinzip Zukunftsbild), und sämtliche Versprechen und Versuche in diese Richtung müssen in den Bereich der Prophetie verwiesen werden. Allenfalls lässt sich folgendes Postulat formulieren: Eine der Aufgaben von Zukunftsforschung ist die Vorausschau im Hinblick auf Entwicklungen und Ereignisse, die aus heutiger Sicht als wahrscheinlich gelten können. Auch in diesem Fall besteht das zentrale Ziel der Zukunftsforschung darin, zukunfts-bezogene Orientierung zu vermitteln. Indem Forschung auf wissenschaftliche Weise die Entwicklung von Zukunftsbildern unterstützt, kann sie dazu beitragen, die zukunftsbezogenen Handlungsmöglichkeiten und Gestaltungskompetenzen auf Seiten ihrer Adressaten oder Auftraggeber zu stärken und zu verbessern. Angesprochen sind dabei nicht nur direkte Auftraggeber. Adressat von Zu-kunftsforschung kann auch die Wissenschaft selbst sein. So kann das Interesse der Adressaten variieren: die Bandbreite reicht von einem weitgehend handlungs-und problemfernen, eher theoretischen Interesse an möglichen Zukünften auf der einen Seite bis hin zu einem sehr konkreten Problem-und Handlungsdruck auf der anderen Seite. Darüber hinaus spielt die Modalität (vgl. Standard Modalität) der Zukunftsforschung in Bezug auf ihre Aufgabenbestimmung eine konstituierende Rolle: Handelt es sich bei den zu erarbeitenden Zukunftsbildern um mögliche, wahrscheinliche oder wünschenswerte Zukünfte? Über die verschiedenen Verwertungskonstellationen im Rahmen von Auftrags-forschung und über die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen ist die Zu-kunftsforschung auch an der Gestaltung von Zukunft beteiligt, dies allerdings nur indirekt. Statt die Zukunft durch direktes Handeln zu beeinÁ ussen, liefert Zu-kunftsforschung das Wissen, das zukunftsbezogenes Handeln unterstützen kann: Erklärungswissen (verstanden als Wissen über EinÁ ussfaktoren und Wechsel-L. Gerhold et al. (Hrsg.), Standards und Gütekriterien der Zukunftsforschung, Zukunft und Forschung 4, DOI 10.1007/978-3-658-07363-3_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 152 3 Grundlagen der Standards Gruppe 3 wirkungen von Zukunftsentwicklungen), Orientierungswissen (verstanden als Wissen um gerechtfertigte Zwecke und Ziele in zukunftsbezogenen Gestaltungs-prozessen) sowie Handlungswissen (verstanden als Wissen um Strategien und Wege, um gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Problemen wirksam zu begegnen). Zukunftsforschung kann die Offenheit und Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen selbstverständlich nicht auÁ ösen. Das durch zukunftsbezogene Forschung zusammengetragene Wissen trägt jedoch dazu bei, den Umfang an Un-gewissheit zu vermindern und – nicht weniger wichtig – diesen auch zu verdeut-lichen. Die Standards dieser Gruppe stellen sicher, dass der Grundaufgabe von Zu-kunftsforschung, zukunftsbezogene Orientierung zu liefern, hinreichend Rechnung getragen wird: Zukunftsforschung ist häuÀ g in Projekten organisierte Auftragsforschung. Relevanz und Nutzen für die Praxis bzw. ihre Adressaten sind zentrale Kriterien für ihre Qualität. Auch wenn es in der Regel außerhalb seiner unmittelbaren Ver-antwortung liegt, sollte der Forscher deshalb im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag zur Wirksamkeit der Studienergebnisse leisten (vgl. Standard Praktische Relevanz, Nützlichkeit und Wirksamkeit). Die beiden Bezugssysteme " Wissenschaft " und " Praxis " müssen dabei nicht zwangsläuÀ g widersprüchliche Anforderungen stellen: gute angewandte und praxisrelevante Forschung ist in aller Regel nur bei ausreichender Wissenschaftlichkeit möglich. Problematisch und zu vermeiden sind jene Fälle, bei denen aus Ressourcen-, Zeit-oder Wissensmangel wissenschaftliche Qualitätsstandards fallen gelassen werden, um praxisbezogene Ziele leichter und schneller bedienen zu können. Wirkung und Wirksamkeit von Zukunftsforschung variieren deutlich, je nach-dem, ob sie sich an Adressaten beispielsweise im politischen Raum oder in einem privatwirtschaftlichen Kontext richtet, ob sie einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion und Selbstbeobachtung leisten soll oder ob sie sich an Akteure der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge wendet. Ebenso ergeben sich substanzielle Unterschiede aufgrund von Faktoren wie Organisationsgröße, Entscheidungs-kompetenzen und Verantwortungssituation der Adressaten. Das Verständnis der SpeziÀ k der Adressaten, an die sich die Zukunftsforschung wendet, der bei ihnen bestehenden grundlegenden Funktions-und Entscheidungslogiken, Zweck-deÀ nitionen und Handlungsressourcen ist daher für eine wirksame Konzeption und Realisierung von Zukunftsstudien von zentraler Bedeutung. Es muss deut-lich gemacht und im Forschungsprozess reÁ ektiert werden, an wen sich die Forschungsergebnisse richten. Bei zukunftsorientierter Forschung mit primärem Anwendungsbezug sollten die Interessen und die Handlungslogiken der

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Holtmannspötter, D., Schulz-Montag, B., Zweck, A., Göll, E., Heinzelbecker, K., & Dienel, H.-L. (2015). Grundlagen der Standards Gruppe 3. In Standards und Gütekriterien der Zukunftsforschung (pp. 151–199). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07363-3_4

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