Der Europäische Gerichtshof: Verfassungsgericht oder nur ein „Agent“ der Mitgliedstaaten? Marcus Höreth

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Die in den letzten Jahren intensiv geführte Diskussion um eine europäische Verfassung erweckte oft den Eindruck, als würdees der EU einer konstitutionellen Grundlage ermangeln, die ihr nun „endlich“ gegeben werden sollte. Dabei wird unterschlagen,dass die EU im Grunde schon längst eine Verfassung besitzt und ihr gerade in punkto Rechts- und Verfassungsstaatlichkeit kaumDefizite vorzuwerfen sind (Rittberger / Schimmelfennig 2006). Diese Entwicklung ist maßgeblich auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zurückzuführen, der schon sehr früh begonnen hat,die Konstitutionalisierung der europäischen Verträge voranzutreiben. In diesem Sinne hat der EuGH seitdem als echtes Verfassungsgerichtgewirkt, weil er auf dieser Basis Gesetze und Verfassungsbestimmungen der Mitgliedstaaten mittels selbst gesetzter europaverfassungsrechtlicherMaßstäbe überprüfen und gegebenenfalls verwerfen konnte. Dennoch wird in der Politikwissenschaft noch immer die Auffassungvertreten, der EuGH sei lediglich ein „Agent“ der Mitgliedstaaten, der sich in seiner Rechtsprechung darauf beschränkt, denpolitischen Willen der mächtigsten EU-Mitgliedstaaten richterrechtlich zu konkretisieren. In diesem Beitrag wird diese Theorieauf den Prüfstand gestellt. Hierzu werden zunächst einige wichtige Verfassungsentscheidungen des EuGH vorgestellt, die illustrieren,wie stark die Rechtsprechung des EuGH die Gemeinschaft konstitutionell geprägt hat (2). Anschließend gehe ich der Frage nach,warum die Mitgliedstaaten dem EuGH überhaupt ein derart weit reichendes Rechtsprechungsmandat erteilt haben (3). Abschließendüberprüfe ich die Prämisse der Agenturtheorie, wonach die mitgliedstaatlichen Regierungen dieses Mandat jederzeit zurückziehenkönnten, wenn sie denn nur wollten. Dabei wird zu zeigen sein, dass die relative Macht des EuGH in der relativen Ohnmachtder Mitgliedstaaten als zusammengesetzter Prinzipal begründet liegt. Diese kön nen der Selbstautorisierung des EuGH als Verfassungsgerichtim gewaltenteiligen System der EU nur wenig entgegensetzen (4).

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Höreth, M. (2008). Der Europäische Gerichtshof: Verfassungsgericht oder nur ein „Agent“ der Mitgliedstaaten? Marcus Höreth. In Die Verfassung Europas (pp. 165–200). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91336-0_8

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