Die Neuropsychologie hat verschiedene kognitive Model-le entwickelt, die auf der Annahme basieren, dass derfrontale Kortex die »h{ö}chsten« integrativen Leistungen,die der Mensch auszuf{ü}hren vermag, steuert und kontrol-liert. Dieser Vorstellung ent sprechend weisen Patientenmit Sch{ä}digungen des Frontalhirns (und zumeist zus{ä}tz-lich auch Teilen anderer kortikaler und subkortikaler Areale)St{ö}rungen der »Exekutivfunktionen« auf. Diese betreffendas Planen, Probleml{ö}sen, die Initiierung und Inhibi tionvon Handlungen sowie die Handlungskontrolle. Damiteng assoziiert ist die Funktion desArbeitsged{ä}chtnisses.F{ü}r das Auftreten exekutiver Dysfunktionen scheint ent-scheidend zu sein, dass die jeweilige Situation ohne einefest vorgegebene Struktur ist und die Organisation unddas Planen des Verhaltens {ü}ber einen l{ä}ngeren Zeitraumbei gleichzeitiger Ber{ü}cksichtigung mehrerer Teilaspekte(»multitasking«) erforderlich macht. Patienten mit aus-gepr{ä}gten St{ö}rungen exekutiver Funktionen wirken oftinteressenlos und gleichg{ü}ltig. Ihre Handlungen scheinennicht durch Ziele mo tiviert und geordnet zu sein. Die F{ä}hig-keit ab sch{ä}tzen zu k{ö}nnen, mit Hilfe welcher Teilschritte ein{ü}bergeordnetes Ziel erreicht werden kann, ist vermindert.Den Patienten f{ä}llt es schwer, bereits gefasste Pl{ä}ne auf-grund eingetretener Ver{ä}nderungen zu modifizieren undinad{ä}quate Handlungen zu unterdr{ü}cken. Die Kranken k{ö}n-nen da r{ü}ber hinaus ein Missachten der Instruktionen zurDurchf{ü}hrung von Aufgaben (»rule-breaking«), eine Bein-tr{ä}chtigung von Antizipationsprozessen wie auch perseve-ratives und rigides Verhalten aufweisen. Es scheint m{ö}glich,dass diese St{ö}rungen in ihrer Summe die immer wieder beiPatienten mit pr{ä}frontalen L{ä}sionen zu beobachtenden{Ä}nderungen der Gesamtpers{ö}nlichkeit ausmachen. Die»Wesens{ä}nderungen« der Patienten betref fen den Antrieb,die Emotionalit{ä}t sowie das Sozial verhalten.
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Kammer, T., & Karnath, H.-O. (2006). Manifestationen von Frontalhirnschädigungen. In Neuropsychologie (pp. 489–500). Springer-Verlag. https://doi.org/10.1007/3-540-28449-4_45
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