Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen ist die kritische Befragung des Zusammenhangs zwischen Sichtbarkeit und politischer Macht. Das bedeutet zuallererst eine Hinterfragung der Annahme, mehr Sichtbarkeit bedeute mehr politische Präsenz oder Durchsetzungsvermögen — eine Annahme, die in oppositionellen politischen Debatten einen prominenten Ort einnimmt, jedoch übersieht, dass mehr Sichtbarkeit auch eine höhere Einbindung in normative Identitätsvorgaben und eine höhere Ausgesetztheit an Parameter der Kontrolle und Disziplinierung bedeutet. Wenn zudem der Zusammenhang zwischen visueller Repräsentiertheit und politischer Macht so kausal wäre, wie es obige Annahme nahe legt, folgte daraus, wie die feministische Performance-Theoretikerin Peggy Phelan bemerkt, dass in der hochindustrialisierten Welt des Nordens die Macht primär in den Händen junger, wei?er, halbbekleideter Frauen liegen müsste. Allein, „die Allgegenwärtigkeit ihres Bildes hat ihnen wohl kaum politische oder ökonomische Macht verliehen“ (Phelan 1993: 10, Übers. JS). Dieser weit verbreiteten Vorstellung, dass mehr Sichtbarkeit auch mehr politische Macht bedeute, möchte ich im Folgenden mit einer höheren Aufmerksamkeit für die Bedingungen und Modi der Sichtbarkeit entgegnen.
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Schaffer, J. (2008). Ambivalenzen der Sichtbarkeit: Zum Verhältnis von Sichtbarkeit und politischer Handlungsfähigkeit. In Medien — Politik — Geschlecht (pp. 233–248). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91096-3_16
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