An einem Fallbeispiel werden Psychopathologie und Therapie des elektiven Mutismus (Verweigerung der sprachlichen Kommunikation mit einem Teil der Bezugspersonen) beschrieben. Ein zehnjähriger, intellektuell leicht retardierter Junge mit elektivem Mutismus wurde fünf Monate lang stationär therapiert und dann ambulant nachbetreut. Mit vier Jahren hatte er begonnen, die Sprache gegenüber allen fremden Personen, insbesondere in Kindergaten und Schule, zu verweigern. Etwa eineinhalb Jahre vor Aufnahme in die Klinik stellte er jegliche sprachliche Kommunikation, auch gegenüber den Eltern und Geschwistern, ein. Die stationäre Therapie bestand aus einem Ausformungsplan in kleinsten Schritten, der pro Tag etwa zwei Stunden personellen Zeitaufwand beinhaltete. Unter Einbeziehung der ambulanten Nachbetreuung konnte die Sprachbereitschaft und damit die soziale Integration des Jungen weitgehend wiederhergestellt werden. Dabei zeigte sich, dass die Therapie nur sinnvoll gestaltet werden konnte, wenn zugleich eine Fülle von familiären und sozialen Problemen berücksichtigt wurde. Der beträchtliche therapeutische Aufwand erscheint vor dem Hintergrund der extremen sozialen Folgen, die ein Verharren des Jungen im elektiven Mutismus mit sich gebracht hätte, gerechtfertigt.
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Melfsen, S., Warnke, A., & Walitza, S. (2019). Selektiver Mutismus. In Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 3 (pp. 607–622). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-57369-3_34
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