Infektionsverlauf und Pathogenität

  • Schulz T
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Abstract

Die Ausbreitung eines Virus im Organismus ist je nach Virus ver-schieden. Es gibt akute, persistierende und latente Virusinfektionen. Die pathogenen Eigenschaften eines Virus können bedingt sein durch direkt vom Virus ausgelöste Schäden in den infizierten Zellen und indirekt durch die Auswirkungen der Immunantwort auf die Virus-infektion. Bei erstmaligem Kontakt mit einem Virus lösen Mechanis-men der angeborenen Immunität (Basisabwehr) eine Entzündung aus, welche die adaptive Immunität anregt; gemeinsam blockieren sie die weitere Replikation und Ausbreitung. Bei einer Zweitinfektion reagiert die adaptive Immunität blitzschnell (»Gedächtnis«) fast ohne Entzündungen. Polymorphismen des Wirtes oder des Virus beeinflus-sen den Ablauf der Infektion. 53.1 Infektionsverlauf Eine Virusinfektion kann apparent (mit klinischen Symptomen) oder inapparent verlaufen. In dieser Hinsicht weisen einzelne Virusarten einen unterschiedlichen Manifestationsindex auf: 4 Die Masern sind fast immer apparent. 4 Mumps-und Influenza-Infektionen verlaufen zu etwa 50 % apparent. 4 Die primäre Infektion mit Herpes-simplex-Virus ist nur bei etwa 5-10 % der Fälle apparent. 4 Die Poliomyelitis ist bei weniger als 1 % der Infizierten apparent. Der Grund, warum im Einzelfall beim Patienten eine Infektion apparent oder symptomlos verläuft, ist in den meisten Fällen unklar. Man unterscheidet schematisch die folgenden Infektionsver-läufe (. Abb. 53.1): 4 akute Infektion mit Viruselimination 4 persistierende Infektion 4 latente Infektion 53.1.1 Akute Infektion mit Viruselimination Bei der akuten Infektion entsteht eine erkennbare, zeitlich begrenzte, klinisch apparente oder inapparente Infektion. Es kommt zur Vi-rusvermehrung und zur Ausscheidung infektiöser Viruspartikel. Die Infektion kann im Sinne einer Lokalinfektion auf die Eintrittspforte und deren Umgebung beschränkt bleiben, wie beim banalen Schnup-fen, oder sich über den gesamten Organismus ausbreiten und eine generalisierte, in mehreren Phasen verlaufende Infektionskrank-heit wie die Masern hervorrufen. In beiden Fällen reagiert das Im-munsystem: Es werden Antikörper, zytotoxische T-Zellen (CTL) und Gedächtniszellen gebildet, der Patient erwirbt eine Immunität. Am Ende der Krankheit enthält der Wirtsorganismus kein infektiö-ses Virus mehr, d. h., das Virus ist eliminiert. 53.1.2 Persistierende Infektion In diesem Fall wird das Virus nach der apparent oder inapparent verlaufenden Primärinfektion nicht vollständig aus dem Orga-nismus eliminiert und repliziert kontinuierlich weiter, allerdings in geringerem Umfang als während der akuten Primärinfektion. Zunächst entstehen dabei keine Symptome. Diese treten erst dann auf, wenn durch die-oft jahrelange-kontinuierliche Virusrepli-kation ein ausgeprägter Schaden in einem Organ entstanden ist. Beispiele hierfür sind HIV, Hepatitis-B-und Hepatitis-C-Viren (. Abb. 53.1). Während der Persistenz hat sich ein »Gleichgewicht« zwischen viraler Replikation und antiviraler Immunität eingestellt. Zwar hält das Immunsystem das Ausmaß der viralen Replikation unter Kon-trolle und die Menge an replizierendem Virus (Viruslast) ist deut-lich niedriger als in den frühen Phasen der Erstinfektion (oder, im Fall des HIV, in den Spätphasen der Erkrankung, nach Zusammen-bruch des Immunsystems), aber es kommt nicht zur Elimination des Virus. Die Gründe für die Unfähigkeit des Immunsystems, das Virus vollständig zu eliminieren, sind nur partiell verstanden; die Fähig-keit von HIV und HCV, sehr rasch neue Mutanten zu entwickeln (Quasispezies; 7 Abschn. 52.2), die zytotoxischen T-Zellen »entkom-men« können (Immunevasion), und eine eingeschränkte Fähigkeit des infizierten Wirtes, gewisse virale Epitope zu erkennen, tragen zur Persistenz bei. Die Tatsache, dass etwa HIV immer zu einer persis-tierenden Infektion führt, während HBV (meistens) und HCV (nur bei einer Minderheit) eliminiert werden, deutet auf die Beteiligung sowohl von viralen als auch Wirtsfaktoren bei der Entstehung von Persistenz hin. Die Bedeutung eines ausgereiften Immunsystems für die Elimination mancher prinzipiell zur Persistenz fähiger Viren wird an einer Reihe klinischer Beobachtungen deutlich: 4 So führt die Infektion mit HBV in der Perinatalphase oder in der frühen Kindheit häufiger zur lebenslangen Persistenz die-ses Virus als die Infektion im Erwachsenenalter. Dafür verläuft die Infektion im frühen Lebensalter weniger häufig mit den klinischen Symptomen einer Hepatitis, die Ausdruck der Immunreaktion gegen infizierte Zellen der Leber ist (7 s. u.). Der Preis, den man dank eines kompetenteren Immunsystems für eine effizientere Elimination des Virus zahlt, ist eine stärker ausgeprägte Primärerkrankung. 4 Ein weiteres Beispiel ist die lange auf hohem Niveau persistie-rende Ausscheidung von Zytomegalievirus durch intrauterin (also zu einem Zeitpunkt, zu dem das Immunsystem noch nicht ausgereift ist) infizierte Neugeborene.

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Schulz, T. F. (2016). Infektionsverlauf und Pathogenität (pp. 437–445). https://doi.org/10.1007/978-3-662-48678-8_53

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