Musikalische Tonsysteme

  • v. Hornbostel E
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Musikalische Tonsysteme sind Mannigfaltigkeiten von Tönen, die musikalisch gebrauchte Intervalle bilden. Die gehörten Intervalle sind abhängig vom Frequenzverhältnis der physikalischen Schwingungen. Gegenüber der unendlichen Zahl der physikalischen ist die der phänomenalen Intervalle beschränkt. Erstens umfaßt der Bereich der überhaupt hörbaren Frequenzen nur etwa 10½ Oktaven (16 bis 20000 v. d.), der Bereich der musikalisch verwendbaren Frequenzen nur etwa 7 Oktaven (32 bis 4100 v. d.). Zweitens hat die Unterscheidbarkeit der gehörten Töne und Intervalle eine psychophysisch bedingte Grenze, die auch unter günstigsten Umständen nicht überschritten werden kann (Unterschiedschwelle); selbstverständlich liegt die Schwelle für Intervalle, die in der praktischen Musik als verschieden wirken, sehr viel höher (Ziff. 2). Drittens erscheinen ein Intervall und seine Oktavenerweiterungen einander so ähnlich, daß man sie musikalisch meist gleichsetzt. Immerhin bleibt die Zahl der praktisch möglichen Intervalle sehr groß, und es fragt sich, welche Intervalle in der Musik tatsächlich gebraucht und warum diese vor den andern bevorzugt werden. Die erste Frage ist von der Völkerkunde, Musikgeschichte und — bei freier Intonation — vom Experiment zu beantworten, die zweite von der Psychologie. Mit der Physik dagegen hängt die Lehre von den Tonsystemen nur lose zusammen. Zwar stellen die Tonerzeugung auf Instrumenten, die Technik ihrer Abstimmung hinsichtlich der Faktoren, von denen die Frequenzen und folglich auch die Intervalle abhängen, rein physikalische Probleme,die sogar für die Entstehungsgeschichte von Tonsystemen belangreicher sind, als man geglaubt hat. Andrerseits ist die Lehre von den Tonsystemen meist einseitig auf das Konsonanzprinzip aufgebaut worden und hat durch Helmholtz und seine Konsonanztheorie den Anschluß an die Physik und von nun an Aufnahme in allen Lehrbüchern gefunden. Diese Darstellungen1) um eine gleichartige zu vermehren, erschien überflüssig; nützlicher, die Tatsachen und Anschauungen zusammenzustellen, die sich aus völkerkundlichen und psychologischen Forschungen der neueren Zeit ergeben haben, gerade weil sie dem Physiker weniger leicht zugänglich und deshalb meist unbekannt sind.

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v. Hornbostel, E. M. (1927). Musikalische Tonsysteme. In Akustik (pp. 425–449). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-47352-4_9

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