Zur Typologie der politischen Parteien

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Wir brauchen Typologien, weil unsere Gehirne zu klein sind, um die große Welt in all ihren Einzelheiten zu erfassen. Wenn wir vielen unbekannten Menschen begegnen, zum Beispiel auf einer Party, stufen wir sie sofort ein: " Diese Frau gefällt mir, jene aber ist bestimmt nicht mein Typ " . Eine solche Auslese ist praktisch notwendig, weil uns einfach die Zeit fehlt, um alle Menschen richtig kennenzulernen. Die Auswahl setzt dann eine intuitive Typologie voraus. Ein Mensch wird als sympathisch gekennzeichnet, wenn er bestimmte Merkmale kombiniert – etwa über eine schlanke Figur verfügt, mit einer hei-teren Stimme spricht und Interesse für uns zeigt. Diese Typologie ist durchaus subjektiv und abhängig von persönlichen Umständen und Stimmungen. Psychologen versuchen seit langem, Menschen objektiv in Typen einzuteilen, wie " Melancholiker " , " Choleriker " , " Phlegmatiker " usw., konnten sich allerdings bisher nicht auf eine allgemein akzeptierte Einteilung einigen. Biologen und Chemiker dagegen haben sich schon im 19. Jahrhundert über eine solche Typologie der Pfl anzen und Tiere bzw. Elemente verständigt. Politische Parteien sind Menschen ziemlich ähnlich: sie werden seit Jahrzehnten von Politikwissenschaft lern auf verschiedene Weisen eingestuft , ohne dass sich ein Konsens über die Einteilungsmerkmale abzeichnete (vgl. z.B. Hättich 1967). Der eine Politikwis-senschaft ler unterscheidet zwischen Arbeiterparteien, Mittelstandsparteien und Volks-parteien, der zweite zwischen Kader-und Massenparteien, der dritte zwischen Weltan-schauungsparteien, Klassenparteien und Patronageparteien usw. Vielleicht versuchen sie, zu viele relativ unabhängige Merkmale zu gemeinsamen Typen zusammenzufassen. Zweckmäßiger erscheint es, die Parteien nach verschiedenen Merkmalsdimensionen oder Perspektiven einzuteilen. Statt einer Typologie würde man sozusagen mehrere Sub-Typologien anbieten. Fünf Dimensionen oder Aspekte könnte man dabei unterscheiden: • Programmatik oder Ideologie • Ziele oder Funktionen im politischen System • Ursprung oder Genese der Partei • Aufb au oder Struktur der Parteiorganisation • Wählerschaft oder soziologische Basis der Partei. 2 Programmatik oder Ideologie Parteien werden oft in ideologische Parteifamilien eingeteilt (von Beyme 1982: 43 ff ., Sei-ler 1993: 68 ff .). Man könnte drei " Großfamilien " unterscheiden: die Liberalen, Sozialis-F. Decker, V. Neu (Hrsg.), Handbuch der deutschen Parteien, DOI 10.1007/978-3-658-00963-2_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 62 Paul Lucardie ten und Konservativen. Daneben gibt es mehrere " entfernte Vettern " und " angeheiratete Schwiegerfamilien " , wie Anarchisten, Kommunisten, Feministen, Grüne oder Ökologis-ten, Faschisten usw. Wir werden sie hier nur ganz kurz und grob beschreiben können. 1 Liberale Parteien versuchen Staat und Gesellschaft zu trennen. Der Staat soll sich mög-lichst wenig in der Gesellschaft einmischen. Er soll vor allem die Grundrechte der Bürger schützen und Bedingungen schaff en für die freie Entfaltung von Individuen und Unternehmen. Individuelle Freiheit ist der höchste Wert. Wettbewerb dient dem Gemeinwohl, sowohl in der Wirtschaft (Marktwirtschaft) als auch im politischen (Wettbewerb zwischen Parteien) und im kulturellen Bereich (Wettbewerb zwischen Ideen, Weltanschauungen, Kirchen usw.).

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Lucardie, P. (2013). Zur Typologie der politischen Parteien. In Handbuch der deutschen Parteien (pp. 61–76). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00963-2_2

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