Die Transnationalisierung der Öffentlichkeit

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Die Transnationalisierung der Öffentlichkeit [03_2005] Es ist heutzutage ein Gemeinplatz, von "transnationalen Öffentlichkeiten" zu sprechen. Innerhalb des akademischen Milieus vernehmen wir zunehmend Hinweise auf "diasporische Öffentlichkeiten", "regionale Öffentlichkeiten" und sogar auf eine neu entstehende "globale Öffentlichkeit". Und für solche Redeweisen gibt es einen klaren Grund. Innerhalb der Medienwissenschaften dokumentiert eine anschwellende Lite-ratur die Existenz von diskursiven Arenen, welche die Grenzen von Nationen und Staaten überschreiten. Darüber hinaus kartieren zahlreiche ForscherInnen im Bereich der Cultural Studies und der Kulturwissen-schaften auf raffinierte Weise die Konturen derartiger Arenen, aber auch die Bilder-und Zeichenströme, die sie durchziehen. Die Idee einer "transnationalen Öffentlichkeit" stellt sich somit als intuitiv plausibel dar, denn sie scheint mit realen Effekten auf die soziale Realität verbunden. Nichtsdestotrotz wirft diese Idee ein theoretisches Problem auf. Das Konzept der Öffentlichkeit wurde nicht etwa entwickelt, um lediglich empirische Kommunikationsflüsse zu verstehen, sondern um zu einer normativen, politischen Demokratietheorie beizutragen. In dieser Theorie wird Öffentlichkeit als ein Raum für die kommunikative Erzeugung öffentlicher Meinung begriffen, und zwar in Formen, welche moralisch-politische Gültigkeit (zumindest bis zu einem gewissen Grad) sichern sollen. Es ist demnach wichtig fest-zuhalten, wer partizipiert und zu welchen Bedingungen dies der Fall ist. Zudem soll die Öffentlichkeit als ein Vehikel für die Mobilisierung öffentlicher Meinung als einer politischen Kraft fungieren. Sie sollte die Bürgerinnen und Bürger gegenüber privaten Mächten ermächtigen und es ihnen ermöglichen, Einfluss auf den Staat auszuüben. Deshalb wird davon ausgegangen, dass die Öffentlichkeit einer souveränen Macht zu entsprechen habe, an die ihre Kommunikationsprozesse letztlich adressiert werden. Zusammenge-nommen sind diese beiden Ideen-die Gültigkeit öffentlicher Meinung und die Ermächtigung von Bürge-rinnen und Bürgern gegenüber dem Staat-für das Konzept von Öffentlichkeit im Rahmen der Demokra-tietheorie unverzichtbar. Ohne sie verliert das Konzept seine kritische Kraft und seinen politischen Be-zugspunkt. Doch lassen sich diese beiden Merkmale nicht ohne weiteres mit den diskursiven Arenen in Verbindung bringen, die wir heute als "transnationale Öffentlichkeiten" bezeichnen. Es erweist sich als schwierig, den Begriff der validen öffentlichen Meinung mit kommunikativen Arenen zu identifizieren, in denen die in den kommunikativen Austausch Eingebundenen keine politische Bürgerschaft konstituieren. Und es ist schwierig, die Idee kommunikativer Macht mit diskursiven Räumen zu assoziieren, die mit souveränen Staaten zusammenfallen würden. Daher ist keineswegs klar, was es heißt, heute von "transnationalen Öffentlichkeiten" zu sprechen. Aus der Perspektive der Demokratietheorie zumindest klingt dieser Aus-druck ein wenig wie ein Oxymoron. Dennoch sollten wir den Begriff einer "transnationalen Öffentlichkeit" nicht zu schnell über Bord werfen. Meiner Ansicht nach ist ein solcher Begriff für diejenigen unter uns unentbehrlich, die das Ziel verfolgen, die Demokratietheorie in der gegenwärtigen "postnationalen Konstellation" neu zu konstruieren. Es wird allerdings nicht ausreichen, sich auf derartige Öffentlichkeiten lediglich in einer relativ lockeren Common Sense Weise zu beziehen, so als ob wir bereits wüssten, was sie seien. Stattdessen wird es notwendig sein, zu den Anfängen zurückzukehren, die Theorie der Öffentlichkeit zu problematisieren und letztlich ihre Konzeptionen von Validität und kommunikativer Macht neu zu bestimmen.

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Fraser, N. (2008). Die Transnationalisierung der Öffentlichkeit. In Medien — Politik — Geschlecht (pp. 18–34). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91096-3_2

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