In fünften vorchristlichen Jahrhundert gingen einige Stadtstaaten Griechenlands dazu über, die für alle bindenden politischenEntscheidungen aus einem Prozess der öffentlichen Beratung und Abstimmung hervorgehen zu lassen, an dem alle Freien als Gleicheteilhatten. Diese Praxis entsprang nicht einer Theorie, die zuvor ausgedacht worden wäre, sondern ergab sich aus der Verdichtungund konsequenten Weiterentwicklung von kulturellen und politischen Traditionen, die sich allmählich ausgebildet hatten. Obgleiches schon in der Frühzeit der menschlichen Geschichte und an den unterschiedlichsten Orten zu allen Zeiten die Gewohnheit einergemeinsamen Beratung und freien Abstimmung der alle verbindlich betreffenden Entscheidungen gab, das also, was später dasPolitische genannt werden sollte, blieb die bewusste, dauerhafte Organisation und Reflexion dieser Praxis doch jenen antikengriechischen Republiken, maßgeblich Athen vorbehalten. Die Erfindung des Politischen als einer Beratungspraxis unter Gleichenbei den Griechen im fünften vorchristlichen Jahrhundert war zugleich die Erfindung der Demokratie4. Sie hat im Begriff der Politik, den der auch die folgende Geschichte des politischen Denkens überragende Philosoph Aristotelesentfaltet und begründet hat, einen klaren und überzeugenden Ausdruck gefunden, der in seinem Kern fortgeltenden Bestand hat.
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Die Erfindung der Demokratie. (2009). In Was ist Demokratie? (pp. 16–23). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91434-3_3
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