Abstract: Der Begriff Verhandlungsdemokratie bezeichnet politische Systeme, in denen wesentliche Entscheidungen nicht mit Stimmenmehrheit, sondern durch Aushandeln getroffen werden. Solche Aushandlungsprozesse können zwischen politischen Parteien, zwischen Regierung und gesellschaftlichen Verbänden oder zwischen Regierungsorganen sowie im Wechselspiel dieser unterschiedlichen Verhandlungsarenen stattfinden. Verhandlungsdemokratien lassen sich nicht eindimensional durch wenige abstrakte Merkmale wie konstitutionelle Veto–Strukturen, maximale Gewinnkoalitionen oder das Einstimmigkeitsprinzip beschreiben und in ihrer Betriebsweise erklären. Vielmehr bedarf es mehrdimensionaler Analysekonzepte, die das konfigurative Zusammenwirken von Einzelelementen der Verhandlungsdemokratie in einem jeweiligen politischen System erfassen. Die empirische Analyse zeigt, dass die drei wichtigsten Ausprägungen der Verhandlungsdemokratie – parteipolitische Konkordanz, neokorporatistische Verbändeeinbindung und konstitutionelle Vetostrukturen – wechselseitige Inkompatibilitäten aufweisen. So können konstitutionelle Vetostrukturen gesellschaftliche Verbände daran hindern, sich in neokorpatistische Verhandlungen mit Regierungen einzulassen, die in ihrer Handlungsfähigkeit geschwächt sind. Wenn die Dimensionen beziehungsweise Arenen der Verhandlungsdemokratie additiv verknüpft werden, wie es in der Demokratietheorie und in der empirischen Demokratieforschung zunehmend geschieht, geraten solche systemischen Interaktionseffekte aus dem Blick, und dadurch verliert das Konzept seine Erklärungskraft.
CITATION STYLE
Czada, R. (2000). Konkordanz, Korporatismus und Politikverflechtung: Dimensionen der Verhandlungsdemokratie. In Zwischen Wettbewerbs- und Verhandlungsdemokratie (pp. 23–49). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-663-07791-6_2
Mendeley helps you to discover research relevant for your work.