Familienstrukturen und soziale Bildungsreproduktion

  • Hillmert S
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1. Einleitung (S. 41) "Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir" - stimmt das? Was meint 'Schule? Was meint 'Lernen'? Zu welchem Wissen führt welches Lernen, welche Elemente charakterisieren die heutige Lern- und Wissensgesellschaft? Soziologie hat dazu viel zu sagen: Makroebene - Integrationskraft des Bildungssystems, Chancengleichheit, Ausmass und Legitimation von sozialer Ungleichheit. Mikroebene - Zugang und Nutzen von Bildung für Individuen. Mesoebene - Institution/Organisation, Art und Aufbau des Bidlungssystems/der Schule Schlagworte: Bildungsexpansion, Meritokratie, Bildung als Bürgerrecht, manpower approach, national betterment (staatsgefährdendes Bildungsproletariat), social demand 2. Bildung und Gesellschaft (S. 43) Bildung als (vermehrbare) Produktionsressource, gesamtgesellschaftliches Humankapital, Bildung als Bürgerrecht Dahrendorf 1965). Funktionalistische Schichtungstheorie (Davis und Moore 1971) - klares Korrespondenzprinzip zwischen Bildung und Erwerbsarbeit. Bildung vermittelt Fähigkeiten (technical skills) für den Arbeitsmarkt. Konflikttheorie (Bowles und Gintis 2000, in derselben Linie auch Bourdieu et al.1981) - durch die Schule kann die herrschende Klasse Kinder schichtspezifisch sozialisieren: Arbeiterkinder werden zu disziplinierten und autoritätshörigen Arbeitern und Oberschichtskinder zu selbstständig denkenden, unabhängigen Führungspersonen herangebildet/erzogen. 3. Bidlungsexpansion und Chancengleichhheit (S. 44) Das Bildungsniveau von SchülerInnen 1995 ist wesentlich höher als dasjenige von SchülerInnen 1952. Aber Ungleichheit hat nicht abgenommen sondern sich 'parallel' verschoben, die relativen Chance von Arbeiterkindern eine tertiäre Ausbildung zu absolvieren ist nicht gestiegen (S. 47). - Rolle des Elternhauses: 1996 = Beamtenkinder = 7x höhere Chance die Universität zu besuchen als Arbeiterkinder. - Geschlecht - Frauen = Gewinnerinnen der Bildungsexpansion, aber noch immer ausgeprägte horizontale Segregation im Bildungs- und Ausbiludngsbereich. - Region - Unterschiede zwischen Stadt und Land haben abgenommen, aber Unterschiede zwischen Bundesländern (DE) immer noch hoch. (Ebenso in der CH, in Uri hat eine Maturaquote von 12%, Genf eine von 30%!). - Nationalität - 1998 ist die Bildungsquote von Jugendlichen (15- bis 20-Jährige) von AusländerInnen (64%)immer noch tiefer als die von Deutschen (93%). 4. Bildung und Bildungserträge (S. 51) Korrespondenzannahme zwischen individueller Bildung und späterem Arbeitsmarkterfolg: Humankapitaltheorie von Becker 1964. Signalling approach von Spence (1974): nicht gelernte Inhalte sondern der Name der Schule/Ausbildung signalisiert das Wissen der SchülerInnen. Allokationstheorie (Bourdieu et al. 1981): analoges Argument wie signalling approach. Alle diese Ansätze nahe dem konflikttheoretischen Ansatz (vgl. oben). Empirie: Trotz Bildungsexpansion/Entwertung von Bildungstiteln - höher gebildete Personen erzielen höhere Gehälter (215%) und sind weniger von Arbeitslosigkeit (6x geringeres Risiko) betroffen als weniger gebildete Personen. Soziologie geht allgemein von der Annahme aus, dass sich die Verknüpfung von BIdlungs- und Beschäftigungssystem gelockert hat (Allemendinger 2002: 52). Problematik der Überqualifikation: Mehr hochqualifizierte Personen als Positionen. Folgen = Proletarisierung oder Verdrängung. Letztere entspricht eher der Realität, Ersteres konnte empirisch noch nie erhärtet werden. Frauen können ihre Bildungsgewinne nicht in Arbeitsmarkterfolge umsetzen, Drehtürmechanismus (Jacobs 1989) immer noch wirksam. "Dies verweist auf Grenzen der Meritokratie, die weit ausserhalb des Bildungs- und Ausbildungssystems selbst liegen (Allmendinger 2002: 54)". Dazu auch Büchel 1996. Forschungslücke: Untersuchungen zu den sozialen und politischen 'Kosten' von Unterbeschäftigung wie Arbeitsunzufriedenheit oder politische Entfremdung stehen noch aus (USA = Burris 1983). 5. Rolle von Bildungssystemen (S. 54) in der deutschen Soziologie wurde die Rolle der instututionellen Ausgestaltung des B-Systems für Bildungserfolg lange unterschätzt. Gender - Baumerts Resumée aus vielen Studien: Der Interesseunterschied (Spreizungseffekt) zwischen Mädchen und Knaben ist in koedukativen Bildungssystemen grösser als in nicht koedukativen. Deshalb sollten teilweise nicht koedukative Stunden/Module innerhalb der Schule/Ausbildung gewährt werden. Deutschland: wenig Schichtmobilität im Lebensverlauf, wenn, dann intergenerationale Mobilität. Bildung und Ausbildung lassen sich nach dem Ausmass ihrer Stratifizierung (Mass = Selektivität des Bildungssystems) und ihrer Standardisierung (nationale verbindliche Bildungsstandards vorhanden) beurteilen und einordnen. Siehe dazu Image! Veränderungen der letzten Jahre für Deutschland: - Durchlässigkeit zwischen Schulformen hat sich erhöht - Angebot an Nachholbildung ist grösser geworden - berufsorientierte Ausbildungsgänge (Fachhochschulen) sind erweitert worden - betriebliche Weiterbildung hat sich verbessert (Qualität und Quantität) Deutschland ist eine 'Sperrklinken-Gesellschaft' (Blossfeld 1985): Es herrschen Stellenwechsel ohne Schichtmobilität vor, Auf- und Abwärtsmobilität nur zwischen den Generationen nicht innerhalb (S. 56) Gemäss David Soskice - ist DE ein a 'flexibly coordinated corporatist system' mit 'coordinated capitalism'. ArbeitgeberInnen investieren in ihre ArbeitnehmerInnen mit Aus- und Weiterbildungen und ArbeitnehmerInnen lassen sich aus- und weiterbilden und verzichten in dieser Zeit auf Marktlöhne. Basis dieses Systems ist Vertrauen ohne dieses würde das System nicht funktionieren. 6. Schulss (S. 56) Wir lernen für die Schule - um Selektionshürden zu überwinden, die Lebensläufe nachhaltig prägen und somit auch für das Leben. Die funktionalisitsche Annahme einer meritokratischen Gesellschaft wurde empirisch mehrfach widerlegt (Herkunftseffekte immer noch stark), was Konfliktansätze unterstützt. Jedoch bisher nicht geklärt - wie die Mechansimen der Übertragung genau aussehen (=Forschungslücke!). Allokationstheorie (Ausbildungsstätten weisen Positionen zu) wird auch in Deutschland durch die Zunahme an privaten Bildungsstätten (Schulen/Universitäten) interessanter (auch durch die Umsetzung des B&M, Anmerk. R.S.). Offene Fragen: Wenn Disziplin und Anpassung an Wichtigkeit verlieren, was tritt an deren Stelle? Wie kann soziale Ungleichheit legitimiert werden falls ein weiterer Abbau der (Erwerbs-)Arbeitsgesellschaft) eintreten sollte?

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Hillmert, S. (2012). Familienstrukturen und soziale Bildungsreproduktion (pp. 325–345). https://doi.org/10.1007/978-3-658-00120-9_14

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