Der Begriff der »Gouvernementalität« (gouvernementalité) taucht zum ersten Mal auf in Foucaults Vorlesungen am Collège de France von 1978 und 1979. Die Wortschöpfung leitet sich vom französischen Adjektiv gouvernemental (»die Regierung betreffend«) her und war schon bekannt, bevor Foucault ihn zu einem zentralen Begriff seiner Arbeit machte. So bezeichnet Roland Barthes bereits in den 1950er Jahren in den Mythen des Alltags mit dem »barbarischen, aber unvermeidlichen Neologismus« einen Mechanismus, der Ursache und Wirkung verkehrt und die Regierung als Autor gesellschaftlicher Verhältnisse präsentiert: als »die von der Massenpresse als Essenz der Wirksamkeit aufgefaßte Regierung« (Barthes 1964, 114). Foucault greift dieses »hässliche Wort« (VL 1977/78, 173) auf, löst es jedoch aus dem semiologischen Kontext. Gouvernementalität steht bei Foucault nicht für eine mythische Zeichenpraxis, welche die gesellschaftlichen Verhältnisse entpolitisiert und verschleiert, sondern verweist auf unterschiedliche Handlungsformen und Praxisfelder, die in vielfältiger Weise auf die Lenkung und Leitung von Individuen und Kollektiven zielen (DE IV, 116).
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Lemke, T. (2014). Gouvernementalität. In Foucault-Hanbuch (pp. 260–263). J.B. Metzler. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01378-1_34
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