1 " Wehrhafte Demokratie " Es gibt gute Gründe für und wider die " wehrhafte Demokratie " , deren schärfste Waffe sicherlich das Verbot einer Partei nach Art. 21 GG ist. Befürworter sprechen von der spezifisch deutschen " Lehre aus Weimar " . So wurden mit dem Vereinsverbot (Art. 9 Abs. 2 GG), der Grundrechtsverwirkung (Art. 18), vor allem aber mit dem Parteiverbot Vorkehrungen getroffen, dass der zweite Versuch einer demokratischen Republik nicht am politischen Extremismus scheitert – zumindest soweit es die verfassungsrechtlichen Vorgaben betrifft. Parteiverbote wirkten abschreckend auf das extremistische Umfeld und Demokratie sei schließlich kein " Selbstmordkommando " . Kritiker wenden dagegen ein, dass die " Wehrlosigkeit " Weimars eher ein – wohl konservativer – Mythos sei 1 ; dass ein Parteiverbot jenseits symbolischer Politik praktisch wirkungslos und es überdies nach gut sechzig Jahren stabiler demokratischer Tradition längst an der Zeit sei, die-sen deutschen " Sonderweg " zu verlassen. Denn gefestigte liberal-demokratische Gesell-schaften kennen zumeist nur den strafrechtlichen Schutz der rechtsstaatlichen Demo-kratie. Gegenüber dem Extremismus setzen sie auf die politische Auseinandersetzung und vertrauen auf die " Selbstreinigungskräfte " einer offenen Gesellschaft. Richtig ist, so hat es schon der Staats-und Demokratietheoretiker Hans Kelsen formuliert, dass das Konzept der " wehrhaften Demokratie " mit einem massiven Eingriff in die pluralistische 1 Der Parlamentarische Rat aber nahm Weimar einfach als " wehrlose " Republik wahr; vgl. Niclauß, Karl-heinz: Der Weg zum Grundgesetz, Paderborn u. a., 1998, S. 202 ff. Ob zu Recht, wird inzwischen bestrit-ten bzw. erheblich differenzierter beurteilt; vgl. grundlegend: Gusy, Christoph: Weimar – die wehrlose Republik ?, Tübingen 1991; allgemein Grünthaler, Matthias: Parteiverbote in der Weimarer Republik, Frankfurt u. a. 1995; Stein, Katrin: Parteiverbote in der Weimarer Republik, Berlin 1999; Möllers/van Ooyen: Parteiverbotsverfahren, 4. Aufl., Frankfurt a. M. 2013; Gerlach, Jutta: Verbieten oder Nichtver-bieten ?; in: Möllers/van Ooyen: JBÖS 2012/13, S. 195 ff. R. Chr. van Ooyen, M. H. W. Möllers (Hrsg.), Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System, DOI 10.1007/978-3-658-05703-9_32, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
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van Ooyen, R. Chr., & Möllers, M. H. W. (2015). Die Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. In Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System (pp. 525–550). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05703-9_32
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