Theoretische Analyse

  • Mader M
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Abstract

Ziel dieses Kapitels ist es, ein theoretisches Modell zu entwickeln, das die Einstel-lungsbildung der deutschen Bevölkerung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr mit dem öffentlichen Diskurs über diesen Gegenstand verknüpft. Außerdem soll das Modell die Implikationen einer simultanen Aktivierung widersprüchlicher Grundhaltungen für die Einstellungsbildung beschreiben. Um diese Ziele zu errei-chen, teilt sich das folgende Kapitel in drei Abschnitte. Zunächst wird die Kon-textebene weitgehend ausgeklammert und die grundlegenden theoretischen Bau-steine der (individual-)psychologischen Einstellungsforschung beschrieben. Dies sind die kognitive Architektur (Lang-und Kurzzeitgedächtnis) sowie zwei Infor-mationsverarbeitungsprozesse, die innerhalb dieser Architektur ablaufen und in der Einstellungsforschung eine herausragende Rolle spielen (gedächtnisbasierte Einstellungsbildung vs. Online-Modell). Es wird begründet, warum die gedächt-nisbasierte Einstellungsbildung in Anbetracht des hier interessierenden Einstel-lungsobjekts eine geeignetere Grundlage für die weitere Modellentwicklung dar-stellt. Daran anschließend wird ein einfaches Modell der politischen Einstellungs-bildung entwickelt, das das Informationsumfeld der Bürger mit der individuellen Einstellungsbildung verknüpft und damit die grundlegenden Bausteine der ge-dächtnisbasierten Einstellungsbildung identifizierbar macht. Da die öffentliche Debatte über alle Auslandseinsätze stets um die Prinzipien Antimilitarismus und Atlantizismus kreiste, sollten die Grundhaltungen der Bürger zu diesen Prinzipien die entscheidenden Erklärungsfaktoren der Einstellungen darstellen. Im letzten Abschnitt wird diskutiert, wie Einzelüberlegungen zu Gesamtbewertungen weiter-verarbeitet werden und inwiefern das Vorliegen bestimmter Grundhaltungskons-tellationen diesen Prozess beeinflussen kann. Es wird argumentiert, dass die Be-rücksichtigung dieser Konstellationen dazu beiträgt, die Einstellungsbildung bes-ser zu verstehen, weil sie beispielsweise den Blick auf die Frage lenkt, ob die zum Teil heftigen öffentlichen Konflikte über die Prinzipien deutscher Außenpolitik zu ähnlich konflikthaften, mentalen Zuständen bei den Bürgern geführt haben. 2.1 Kognitive Strukturen und Prozesse Einstellungsbildung ist ein mentaler Prozess, bei dem verschiedene kognitive Strukturen eine Rolle spielen. Involviert sind sowohl das Arbeits-als auch das Langzeitgedächtnis, wobei letzteres in einen deklarativen und einen impliziten © Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 M. Mader, Öffentliche Meinung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, DOI 10.1007/978-3-658-15597-1_2 28 2 Theoretische Analyse Teil unterteilt werden kann. Das Arbeitsgedächtnis ist der Ort, an dem bewusste Informationsverarbeitungsprozesse ablaufen. Dort werden mentale Repräsentatio-nen aktiv gehalten und weiterverarbeitet (Gluck et al. 2010: 177-178). Die Kapa-zität des Arbeitsgedächtnisses ist begrenzt, die meisten Menschen sind mehr als gefordert, wenn sie sieben Elemente simultan verarbeiten sollen (Miller 1956). Um mentale Repräsentationen so zu erhalten, dass sie in Zukunft ins Bewusstsein (Arbeitsgedächtnis) zurückgerufen werden können, müssen sie im deklarativen Langzeitgedächtnis abgelegt werden (Squire 2004: 173). Die im Langzeitgedächt-nis abgespeicherten Elemente sind in assoziativen Bedeutungsnetzen organisiert, es können also inhaltliche Verbindungen zwischen ihnen bestehen. Zwischen wel-chen Elementen im Einzelnen Assoziationen bestehen, variiert von Person zu Per-son und ergibt sich sowohl aus kontextuellen als auch aus individuellen Faktoren (Lodge und Taber 2000; Taber 2003: 443-444). Neben den kognitiven Elementen des deklarativen Langzeitgedächtnisses können in einem parallel arbeitenden Teil-system des nicht-deklarativen Langzeitgedächtnisses Affekte abgespeichert wer-den (Squire 2004: 173), die mit den korrespondierenden Elementen im deklarati-ven Gedächtnis verknüpft sind. Als Affekt wird hier die Bewertung des Elements auf einer Valenz-Dimension (positiv-negativ) verstanden (Eagly und Chaiken 1993: 11). Abbildung 1 stellt einen Ausschnitt eines fiktiven Assoziationsnetzes dar. Die schwarzen Kreise repräsentieren die im Langzeitgedächtnis gespeicherten kogni-tiven Elemente, etwa " Afghanistan-Einsatz " , " Krieg " und " Angela Merkel " . Zwi-schen einigen dieser Elemente bestehen Assoziationen, hier dargestellt als durch-gezogene Verbindungslinien zwischen den schwarzen Kreisen. So glaubt die Per-son, deren Assoziationsnetz hier dargestellt wird, beim Afghanistan-Einsatz han-dele es sich um einen Krieg, der etwas mit Angela Merkel zu tun hat. 9

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Mader, M. (2017). Theoretische Analyse. In Öffentliche Meinung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr (pp. 27–55). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-15597-1_2

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