Vernachlässigung als Kindeswohlgefährdung

  • Ziegenhain U
  • Kindler H
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Vernachlässigung gehört zu den leicht unterschätzten Gefährdungsformen. Bei körperlicher Misshandlung gibt es abgrenzbare Einzelereignisse und es kommt häufig zu Verletzungen, so dass die Schädigungswirkung offenkundig ist. Beim sexuellen Missbrauch ist die schädigende Wirkung mittlerweile unstrittig und diese Gefährdungsform löst zudem inzwischen eine heftige und gerechtfertigte gesellschaftliche Ablehnung aus. Demgegenüber geht es bei Vernachlässigung gewöhnlich um Ereignisse oder Zustände, die sich häufen, gegenseitig verstärken und meist erst im Lauf der Zeit zu immer deutlicher sichtbar werdenden Schädigungen führen. Aus Verlaufsanalysen ist bekannt, dass bei chronischer Vernachlässigung die Mehrzahl betroffener Kinder letztlich erhebliche Schädigungen erleidet (z. B. Jonson-Reid et al., 2012). Deshalb besteht häufig dringlicher Handlungsbedarf, selbst wenn lebensbedrohliche Einzelereignisse fehlen (vgl. Kindler, 2016). Zumindest manchmal kommt es aber auch zu solchen Zuspitzungen der Problematik, etwa wenn Kinder schwere Unfälle infolge mangelnder Beaufsichtigung erleiden oder die Versorgung des Kindes weitgehend zusammenbricht, was für jüngere Kinder lebensbedrohlich werden kann. Obwohl bezogen auf alle Vernachlässigungsfälle solche Ereignisse selten sind, scheint doch etwa die Hälfte der Krankenhausaufenthalte von Kindern aufgrund von Kindeswohlgefährdung Vernachlässigung zu betreffen (Rebbe et al., 2020). Dennoch zeigen die Erfahrungen aus der Praxis, dass nicht nur die Schwelle zur Kindeswohlgefährdung bei Vernachlässigung schwer einzuschätzen ist, sondern sich zudem nur wenige Professionelle im Kinderschutz intensiv mit Vernachlässigung beschäftigen. In der Praxis ebenso wie in der empirischen Literatur wird daher von der „Vernachlässigung der Vernachlässigung“ (Wolock & Horowitz, 1984) gesprochen.

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Ziegenhain, U., & Kindler, H. (2023). Vernachlässigung als Kindeswohlgefährdung. In Gute Kinderschutzverfahren (pp. 275–289). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66900-6_19

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