Abstract
Dieser Aufsatz benutzt den klassischen Exkurs von Simmel zur Figur des Fremden als Ausgangspunkt für eine systematische Differenzierung von Fremdheitserfahrungen. Fremdheit wird als spezifische Form einer sozialen Beziehung verstanden, die in besonderer Weise durch die Gleichzeitigkeit von Nähe und Entferntheit, von Verbundenheit und Getrenntheit gekennzeichnet ist. In einer solchen Beziehung entfalten sich Fremdheitserfahrungen, bei denen sich eine positionale und eine kognitive Dimension unterscheiden läßt. Der kognitiven Dimension sind Erfahrungen kultureller Fremdheit zugeordnet, in deren Mittelpunkt die Begegnung mit einer anderen Wirklichkeitsordnung steht. Der „fremde Sinn“ solch einer anderen Ordnung wird als lebensweltliche Unvertrautheit erfahren, die zu Aneignung oder Abgrenzung motiviert. In der positionalen Dimension entfaltet sich soziale Fremdheit, die durch die Erfahrungsqualität der Nichtzugehörigkeit bestimmt ist. Hier geht es um ausgrenzende Handlungen und Zurechnungen, die einer Person oder Gruppe eine Position jenseits der Grenzen des Eigenen zuweisen. Im zweiten Teil des Aufsatzes werden anhand von Textbeispielen aus Interviews mit ostdeutschen Wissenschaftlern, die zwischen 1992 und 1996 im Wissenschaftler-Integrations-Programm gefördert wurden, theoretische Aspekte der Konstruktion von Fremdheit illustriert und differenziert.
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Stenger, H. (1998). Soziale und kulturelle Fremdheit. Zeitschrift Für Soziologie, 27(1), 18–38. https://doi.org/10.1515/zfsoz-1998-0102
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